Schule draußen – Outdoorpädagogik als Unterricht?

Ein Projekt mit Wirkung von Freiluftleben Soziales in Kooperation mit der Plattform für Menschenrechte

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Der Text wurde geschrieben von Andrea Schider, Kornelia Vogel und Felix Autor.

 

Bildungskrise 2023 – Es „brennt“ an vielen Schulen, die Kritiken am Bildungssystem finden auch hier in Salzburg bereits einen öffentlichen Ausdruck (z.B. hier).

Schule trägt eine große Verantwortung in der Gesellschaft mit ihrem Bildungs- und Erziehungsauftrag. Leider kann dieser in manchen Schulen defacto nicht erfüllt werden, weil sinnvoller Unterricht nicht stattfindet. Überforderung und Frustrationen von Lehrpersonal und Schüler:innen an den gegebenen Verhältnissen lassen im Unterricht oftmals eine Atmosphäre entstehen, die Lehren und Lernen nahezu unmöglich macht. Traurig, wenn man bedenkt, wie viel Lebenszeit Kinder und Jugendliche in der Schule und in ihrer Klasse verbringen, die eigentlich für die Weichenstellung ihrer Zukunft genutzt werden sollte. Viele Schüler:innen können von der Schule kaum aufgefangen werden und bekommen damit ihre Zeit für Bildung und Entwicklung gestohlen. Ihre Bildungskarrieren sind nahezu vorprogrammiert. Wir wissen schon länger, dass Österreich weit entfernt ist von einer gerechten Verteilung von Bildungschancen (Stichwort: Herkunftseffekte). Diese Realität wurde nun nochmals verschärft durch die Maßnahmen während der Corona-Pandemie.  Sie hat bei Schüler:innen – vor allem bei jenen, die in unterprivilegierten Verhältnissen und sozial schwachen Milieus aufwachsen – erhebliche Defizite sowohl beim Lernen als auch hinsichtlich ihrer sozialen Kompetenzen hinterlassen. 

Eine Gruppe Jugendlicher überm Nebelmeer in Salzburg

Die aktuellen vielfältigen Problematiken im System „Schule“ lassen das Gefühl von Ohnmacht und Hoffnungslosigkeit entstehen. Personalmangel, zu große Klassen, Corona, die „schlimmen“ sozialen Medien, Digitalisierung etc., es brennt an vielen Ecken und Enden. Es fehlen im großen Ausmaß Betreuungsangebote von besonders verhaltensauffälligen Schüler:innen (“Sprengertypen”, die wegen der Schulpflicht in der Klasse sitzen „müssen“). Es gibt wenig Zeitressourcen für individuelle Lernbegleitungen und Räume, in denen Lerndefizite nachgeholt werden können. Das erzeugt eine Situation in Klassen, wo ein Großteil der Schüler:innen, die eigentlich gern lernen würden, nicht lernen können, da die Betreuung einer Minderheit von Schüler:innen dominant die Unterrichtszeit beansprucht. Vielerorts kämpfen Lehrer:innen an der Unmöglichkeit der Kultivierung von Disziplin unter wertschätzender, respektvoller Atmosphäre. Das regelmäßige Scheitern am pädagogischen Auftrag, Heranwachsende zu unterrichten und bestmöglich in ihrer Entwicklung zu begleiten, erzeugt hohen Frust und Kapitulation, sowohl in der Schüler:innen- als auch in der Lehrer:innenschaft. Zeit für eine sinnvolle Begegnung mit dem Problematiken wird nicht gefunden, da oftmals krampfhaft am durchgetakteten Bildungskatalog festgehalten wird, ohne zu erkennen, welche Maßnahmen womöglich „sinnvoller“ wären.

Wie wichtig wäre ein wertschätzendes soziales Miteinander und eine gute Klassengemeinschaft, um überhaupt erstmal einen stabilen Rahmen bieten zu können, in dem der Unterricht mehr Schüler:innen erreichen kann und Defizite kompensiert werden können? Nicht nur die Lehrer:innen und das Interesse am „Lernstoff“, auch die Klassengemeinschaft hat erheblichen Einfluss darauf, ob Zeit in der Schule und Unterricht als positiv und erfüllend empfunden wird.

Lernen im Unterricht muss (wieder) Freude bereiten und darf nicht von einem „Wann hört es endlich auf zu dauern?“ überschattet werden. Beispielsweise regelmäßig stattfindende Unterrichtseinheiten, die sich explizit der Förderung der sozialen Kompetenzen widmen (z.B. in Form von Outdoor- und Erlebnispädagogik!), wären ein Versuch, um die Lage etwas zu entspannen. Klar ist jedoch, dass es akute strukturelle Änderungen wie mehr Personal, mehr Schulsozialarbeit, mehr Workshops für Lehrer:innen, mehr Arbeit in kleineren Gruppen und noch viele weitere Veränderungen dringend braucht, um den schwierigen Bedingungen sinnvoll und nachhaltig begegnen zu können. Bei der Beschulung von einigen besonders belasteten Schüler:innen sind natürlich andere Grenzen gesetzt, hierfür bräuchte z.B. mehr Möglichkeiten für Sonderförderungen und Einzelbegleitungen. Die Forderungen an die Politik werden immer lauter nach einem Ausbau von Sozialpädagogik, Schulsozialarbeit, Sonderpädagogik, Erlebnispädagogik, Familienbetreuungen, Beratungen, Angebote für Psychotherapie etc.. Wir möchten diese Forderungen unterstreichen.

 

 

 Jeder Mensch hat das Recht auf Bildung. (…) Die Bildung des Kindes muss darauf gerichtet sein, die Persönlichkeit, die Begabung und die geistigen und körperlichen Fähigkeiten des Kindes voll zur Entfaltung zu bringen.

(Charta der Menschenrechte, UN-Kinderrechtskonvention)

 

Welchen Beitrag kann Outdoorpädagogik leisten?

Ist eine „Schule draußen“ eine sinnvolle und wirksame Ergänzung zur Unterrichtszeit drinnen, um zu „entspannen“ und soziale Kompetenzen gerecht zu fördern, die es so dringend bräuchte? Würde eine regelmäßige Implementierung von handlungsorientiertem Lernen an der frischen Luft in der Unterrichtszeit zu einer Entlastung bei Lehrer:innen und Schüler:innen führen? Wie wertvoll sind Perspektiven auf die Natur und das Draußen-Sein in Zeiten von Stress, Smartphone und Co? Wie wäre es, professionelle Erlebnispädagog:innen (und andere Professionist:innen!) als Bildungsergänzung im Unterricht einzusetzen, anstatt z.B. Freizeitpädagog:innen von ihrem wertvollen Auftrag abzuziehen und in die Unterrichtsassistenz zu schicken?

Fakt ist: Die Wirksamkeit von Outdoor- und Erlebnispädagogik als Maßnahme für Schulklassen ist nicht nur spürbar und praxiserprobt, sondern in vielen Studien wissenschaftlich bestätigt (z.B. Evaluation des Projektes „Erlebtes Lernen für Schulklassen“, Elmar Straube, 2022, Ziel-Verlag). Sie kann nicht alles, aber sie wäre wohl eine fruchtbare Ergänzung im Unterricht bei vielen (überforderten) Schulen.

Schüler:innen beim Teambuilding in Salzburg

 

Das Projekt „Schule draußen“ mit einer Mittelschule der Stadt Salzburg

Kornelia Vogl (Menschenrechtsschulen und -kindergärten in der Stadt Salzburg), Andrea Schider und Felix Autor (beide Erlebnispädagog:innen von Freiluftleben) entwickelten aus diesen Überlegungen das Projekt “Schule draußen”, um einen kleinen gesellschaftlichen Beitrag zu leisten, indem sie mit zwei Klassen einer sogenannten “Brennpunktschule” ein für die Klassen kostenloses Teambuilding an vier Terminen durchführten. Ziel des Projekts war es, die Klassengemeinschaft zu stärken, an elementaren Prinzipien des Miteinanders zu arbeiten und nebenbei den Kindern die Natur in ihrer Umgebung sowie den Spaß an Bewegung im Freien näherzubringen. 

Jugendliche beim Spielen bei Sozialpädagogischen Programm in Salzburg

Jugendliche im Wald bei Sozialpädagogik Programm

Unser Fazit: Positive Ergebnisse waren bereits nach vier Terminen im sozialen Gefüge der Klassen bemerkbar, allerdings braucht es für eine nachhaltige Veränderung der sozialen Beziehungen in einer Klasse weitaus mehr Interventionen und deren Verschränkung im Unterricht, damit die Klassengemeinschaft auch gestärkt bleibt. Die Lehrer:innen bekamen die Möglichkeit, während des Projekts ihre Klasse aus einem anderen Blickwinkel kennenzulernen. Dies wurde als sehr kostbar von den Lehrer:innen wahrgenommen. Zu unseren primären Zielen zählten die Stärkung der Klassengemeinschaft, die Bewegung in der Natur sowie das Kennenlernen der Natur bzw. das Entdecken schöner Plätze in der Umgebung. Im Prozess konnten alle Beteiligten zumindest kleine Effekte unserer Arbeit wahrnehmen. Durch die handlungsorientierten Übungen und den Reflexionen gemeinsam in der Klasse, aber auch mit den Lehrer:innen gelang es uns, neue Perspektiven anzustoßen und das ein oder andere Aha-Erlebnis zu erzeugen. Es ergab sich ebenso die Möglichkeit, mit Schüler:innen auch in kleinen Gruppen oder einzeln zu arbeiten und individuelle Lernimpulse zu setzen. Für uns selbst war es sehr bereichernd, da wir einen authentischen Einblick über aktuelle Problematiken des Schulalltags bekamen. Zudem konnten wir experimentieren, wie wir im Rahmen der Schule positiv wirken können um damit einen kleinen Beitrag zum Gemeinwohl leisten zu können.

Holzscheiben mit Schlagworten beim Workshop

Wir haben für unsere Arbeit von den Schüler:innen sowie dem Lehrpersonal äußerst positive Rückmeldungen erhalten und hoffen wir darauf, auch in Zukunft die nachhaltige Unterstützung der jungen Generation mit Hilfe von finanzieller Unterstützung und befruchtenden Kooperationen mit lokalen Institutionen hier in Salzburg weiter durchführen zu können. Diese Kooperation hat uns vor allem gezeigt, dass es dringende Interventionen in den Schulen braucht, um die komplexen Probleme und auch die Nachwirkungen der vielen Lockdowns abzufangen. Der wichtige Auftrag Handlungen zu setzen, um soziale Ungleichheiten etwas zu dämpfen und größere Bildungsgerechtigkeit herzustellen, wird zudem durch kooperative Projekte sichtbarer und bekommt dadurch eine größere Reichweite und Qualität. Der gesellschaftliche „soziale“ Auftrag wird durch die Vernetzung von Institutionen dicker unterstrichen. In konstruktiver Zusammenarbeit könn(t)en wir sehr viele Stärken und Professionen bündeln und gemeinsam wirken.

Kinder im Wald bei erlebnispädagogischen Programm

Wir hoffen, dass wir auch in Zukunft finanzielle Mittel dafür lukrieren können, um weiterhin Kinder und Jugendliche in ihrem Schulalltag unterstützen zu können.

 

Wir von Freiluftleben bieten uns gerne als Kooperationspartner und Umsetzer von Bildungsprogrammen, die das “Draußen sein” und Lernen in Gruppen thematisieren. 

 

“Schule draußen” – ein Leuchtturmprojekt von Freiluftleben Soziales, dass auf Bildungsungerechtigtkeit hinweist und Bildungschancen von Erlebnispädagogik thematisiert und ermöglicht. Das Projekt wurde getragen durch unsere Haltung, unser idealistisches Engagement und die Idee von Kooperation und Vernetzung mit lokalen Institutionen. Es wurde finanziert von:

 

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