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Outdoorpädagogik

Schule draußen – Outdoorpädagogik als Unterricht?

Der Text wurde geschrieben von Andrea Schider, Kornelia Vogel und Felix Autor.

 

Bildungskrise 2023 – Es „brennt“ an vielen Schulen, die Kritiken am Bildungssystem finden auch hier in Salzburg bereits einen öffentlichen Ausdruck (z.B. hier).

Schule trägt eine große Verantwortung in der Gesellschaft mit ihrem Bildungs- und Erziehungsauftrag. Leider kann dieser in manchen Schulen defacto nicht erfüllt werden, weil sinnvoller Unterricht nicht stattfindet. Überforderung und Frustrationen von Lehrpersonal und Schüler:innen an den gegebenen Verhältnissen lassen im Unterricht oftmals eine Atmosphäre entstehen, die Lehren und Lernen nahezu unmöglich macht. Traurig, wenn man bedenkt, wie viel Lebenszeit Kinder und Jugendliche in der Schule und in ihrer Klasse verbringen, die eigentlich für die Weichenstellung ihrer Zukunft genutzt werden sollte. Viele Schüler:innen können von der Schule kaum aufgefangen werden und bekommen damit ihre Zeit für Bildung und Entwicklung gestohlen. Ihre Bildungskarrieren sind nahezu vorprogrammiert. Wir wissen schon länger, dass Österreich weit entfernt ist von einer gerechten Verteilung von Bildungschancen (Stichwort: Herkunftseffekte). Diese Realität wurde nun nochmals verschärft durch die Maßnahmen während der Corona-Pandemie.  Sie hat bei Schüler:innen – vor allem bei jenen, die in unterprivilegierten Verhältnissen und sozial schwachen Milieus aufwachsen – erhebliche Defizite sowohl beim Lernen als auch hinsichtlich ihrer sozialen Kompetenzen hinterlassen. 

Eine Gruppe Jugendlicher überm Nebelmeer in Salzburg

Die aktuellen vielfältigen Problematiken im System „Schule“ lassen das Gefühl von Ohnmacht und Hoffnungslosigkeit entstehen. Personalmangel, zu große Klassen, Corona, die „schlimmen“ sozialen Medien, Digitalisierung etc., es brennt an vielen Ecken und Enden. Es fehlen im großen Ausmaß Betreuungsangebote von besonders verhaltensauffälligen Schüler:innen (“Sprengertypen”, die wegen der Schulpflicht in der Klasse sitzen „müssen“). Es gibt wenig Zeitressourcen für individuelle Lernbegleitungen und Räume, in denen Lerndefizite nachgeholt werden können. Das erzeugt eine Situation in Klassen, wo ein Großteil der Schüler:innen, die eigentlich gern lernen würden, nicht lernen können, da die Betreuung einer Minderheit von Schüler:innen dominant die Unterrichtszeit beansprucht. Vielerorts kämpfen Lehrer:innen an der Unmöglichkeit der Kultivierung von Disziplin unter wertschätzender, respektvoller Atmosphäre. Das regelmäßige Scheitern am pädagogischen Auftrag, Heranwachsende zu unterrichten und bestmöglich in ihrer Entwicklung zu begleiten, erzeugt hohen Frust und Kapitulation, sowohl in der Schüler:innen- als auch in der Lehrer:innenschaft. Zeit für eine sinnvolle Begegnung mit dem Problematiken wird nicht gefunden, da oftmals krampfhaft am durchgetakteten Bildungskatalog festgehalten wird, ohne zu erkennen, welche Maßnahmen womöglich „sinnvoller“ wären.

Wie wichtig wäre ein wertschätzendes soziales Miteinander und eine gute Klassengemeinschaft, um überhaupt erstmal einen stabilen Rahmen bieten zu können, in dem der Unterricht mehr Schüler:innen erreichen kann und Defizite kompensiert werden können? Nicht nur die Lehrer:innen und das Interesse am „Lernstoff“, auch die Klassengemeinschaft hat erheblichen Einfluss darauf, ob Zeit in der Schule und Unterricht als positiv und erfüllend empfunden wird.

Lernen im Unterricht muss (wieder) Freude bereiten und darf nicht von einem „Wann hört es endlich auf zu dauern?“ überschattet werden. Beispielsweise regelmäßig stattfindende Unterrichtseinheiten, die sich explizit der Förderung der sozialen Kompetenzen widmen (z.B. in Form von Outdoor- und Erlebnispädagogik!), wären ein Versuch, um die Lage etwas zu entspannen. Klar ist jedoch, dass es akute strukturelle Änderungen wie mehr Personal, mehr Schulsozialarbeit, mehr Workshops für Lehrer:innen, mehr Arbeit in kleineren Gruppen und noch viele weitere Veränderungen dringend braucht, um den schwierigen Bedingungen sinnvoll und nachhaltig begegnen zu können. Bei der Beschulung von einigen besonders belasteten Schüler:innen sind natürlich andere Grenzen gesetzt, hierfür bräuchte z.B. mehr Möglichkeiten für Sonderförderungen und Einzelbegleitungen. Die Forderungen an die Politik werden immer lauter nach einem Ausbau von Sozialpädagogik, Schulsozialarbeit, Sonderpädagogik, Erlebnispädagogik, Familienbetreuungen, Beratungen, Angebote für Psychotherapie etc.. Wir möchten diese Forderungen unterstreichen.

 

 

 Jeder Mensch hat das Recht auf Bildung. (…) Die Bildung des Kindes muss darauf gerichtet sein, die Persönlichkeit, die Begabung und die geistigen und körperlichen Fähigkeiten des Kindes voll zur Entfaltung zu bringen.

(Charta der Menschenrechte, UN-Kinderrechtskonvention)

 

Welchen Beitrag kann Outdoorpädagogik leisten?

Ist eine „Schule draußen“ eine sinnvolle und wirksame Ergänzung zur Unterrichtszeit drinnen, um zu „entspannen“ und soziale Kompetenzen gerecht zu fördern, die es so dringend bräuchte? Würde eine regelmäßige Implementierung von handlungsorientiertem Lernen an der frischen Luft in der Unterrichtszeit zu einer Entlastung bei Lehrer:innen und Schüler:innen führen? Wie wertvoll sind Perspektiven auf die Natur und das Draußen-Sein in Zeiten von Stress, Smartphone und Co? Wie wäre es, professionelle Erlebnispädagog:innen (und andere Professionist:innen!) als Bildungsergänzung im Unterricht einzusetzen, anstatt z.B. Freizeitpädagog:innen von ihrem wertvollen Auftrag abzuziehen und in die Unterrichtsassistenz zu schicken?

Fakt ist: Die Wirksamkeit von Outdoor- und Erlebnispädagogik als Maßnahme für Schulklassen ist nicht nur spürbar und praxiserprobt, sondern in vielen Studien wissenschaftlich bestätigt (z.B. Evaluation des Projektes „Erlebtes Lernen für Schulklassen“, Elmar Straube, 2022, Ziel-Verlag). Sie kann nicht alles, aber sie wäre wohl eine fruchtbare Ergänzung im Unterricht bei vielen (überforderten) Schulen.

Schüler:innen beim Teambuilding in Salzburg

 

Das Projekt „Schule draußen“ mit einer Mittelschule der Stadt Salzburg

Kornelia Vogl (Menschenrechtsschulen und -kindergärten in der Stadt Salzburg), Andrea Schider und Felix Autor (beide Erlebnispädagog:innen von Freiluftleben) entwickelten aus diesen Überlegungen das Projekt “Schule draußen”, um einen kleinen gesellschaftlichen Beitrag zu leisten, indem sie mit zwei Klassen einer sogenannten “Brennpunktschule” ein für die Klassen kostenloses Teambuilding an vier Terminen durchführten. Ziel des Projekts war es, die Klassengemeinschaft zu stärken, an elementaren Prinzipien des Miteinanders zu arbeiten und nebenbei den Kindern die Natur in ihrer Umgebung sowie den Spaß an Bewegung im Freien näherzubringen. 

Jugendliche beim Spielen bei Sozialpädagogischen Programm in Salzburg

Jugendliche im Wald bei Sozialpädagogik Programm

Unser Fazit: Positive Ergebnisse waren bereits nach vier Terminen im sozialen Gefüge der Klassen bemerkbar, allerdings braucht es für eine nachhaltige Veränderung der sozialen Beziehungen in einer Klasse weitaus mehr Interventionen und deren Verschränkung im Unterricht, damit die Klassengemeinschaft auch gestärkt bleibt. Die Lehrer:innen bekamen die Möglichkeit, während des Projekts ihre Klasse aus einem anderen Blickwinkel kennenzulernen. Dies wurde als sehr kostbar von den Lehrer:innen wahrgenommen. Zu unseren primären Zielen zählten die Stärkung der Klassengemeinschaft, die Bewegung in der Natur sowie das Kennenlernen der Natur bzw. das Entdecken schöner Plätze in der Umgebung. Im Prozess konnten alle Beteiligten zumindest kleine Effekte unserer Arbeit wahrnehmen. Durch die handlungsorientierten Übungen und den Reflexionen gemeinsam in der Klasse, aber auch mit den Lehrer:innen gelang es uns, neue Perspektiven anzustoßen und das ein oder andere Aha-Erlebnis zu erzeugen. Es ergab sich ebenso die Möglichkeit, mit Schüler:innen auch in kleinen Gruppen oder einzeln zu arbeiten und individuelle Lernimpulse zu setzen. Für uns selbst war es sehr bereichernd, da wir einen authentischen Einblick über aktuelle Problematiken des Schulalltags bekamen. Zudem konnten wir experimentieren, wie wir im Rahmen der Schule positiv wirken können um damit einen kleinen Beitrag zum Gemeinwohl leisten zu können.

Holzscheiben mit Schlagworten beim Workshop

Wir haben für unsere Arbeit von den Schüler:innen sowie dem Lehrpersonal äußerst positive Rückmeldungen erhalten und hoffen wir darauf, auch in Zukunft die nachhaltige Unterstützung der jungen Generation mit Hilfe von finanzieller Unterstützung und befruchtenden Kooperationen mit lokalen Institutionen hier in Salzburg weiter durchführen zu können. Diese Kooperation hat uns vor allem gezeigt, dass es dringende Interventionen in den Schulen braucht, um die komplexen Probleme und auch die Nachwirkungen der vielen Lockdowns abzufangen. Der wichtige Auftrag Handlungen zu setzen, um soziale Ungleichheiten etwas zu dämpfen und größere Bildungsgerechtigkeit herzustellen, wird zudem durch kooperative Projekte sichtbarer und bekommt dadurch eine größere Reichweite und Qualität. Der gesellschaftliche „soziale“ Auftrag wird durch die Vernetzung von Institutionen dicker unterstrichen. In konstruktiver Zusammenarbeit könn(t)en wir sehr viele Stärken und Professionen bündeln und gemeinsam wirken.

Kinder im Wald bei erlebnispädagogischen Programm

Wir hoffen, dass wir auch in Zukunft finanzielle Mittel dafür lukrieren können, um weiterhin Kinder und Jugendliche in ihrem Schulalltag unterstützen zu können.

 

Wir von Freiluftleben bieten uns gerne als Kooperationspartner und Umsetzer von Bildungsprogrammen, die das “Draußen sein” und Lernen in Gruppen thematisieren. 

 

“Schule draußen” – ein Leuchtturmprojekt von Freiluftleben Soziales, dass auf Bildungsungerechtigtkeit hinweist und Bildungschancen von Erlebnispädagogik thematisiert und ermöglicht. Das Projekt wurde getragen durch unsere Haltung, unser idealistisches Engagement und die Idee von Kooperation und Vernetzung mit lokalen Institutionen. Es wurde finanziert von:

 

Wenn du unsere sozialen Projekte mit einer Spende unterstützen möchtest, freuen wir uns über eine Kontaktaufnahme:

+43 664 64 664 23

soziales@freiluftleben.at  

Klettern in Istrien

Der Text wurde geschrieben von Martin Pühringer und Felix Autor.

Der Herbst ist wieder wahrhaftig golden. In Salzburg ist gerade die beste Kletterzeit. Trotzdem ist es immer wieder reizvoll, das Jahr noch mit ein paar schönen Klettertagen im Süden zu versüßen. Eine Reise in andere Länder bringt nämlich stets diesen besonderen „Urlaubs-Effekt“ mit sich.

Da wir schon länger einen Klettertrip nach Istrien in unser Programm aufnehmen möchten, machten sich Martin und Felix an die Arbeit, ein paar Tage durch das kroatische Hinterland zu streifen und Ideen für abwechslungsreiche Tage zu sammeln. Nicht nur die Felsen, sondern auch Kulinarik und der Besuch kleiner Städtchen standen auf dem Tagesplan.

 

Auf geht’s zu Sonne und Meer, Sinter und Leisten, Wein und Trüffel.

 

Nach knapp vier Stunden Autofahrt ab Salzburg, entweder durch Friaul oder die Karawanken, erblickt man schon das Sinnbild aller Sehnsüchte: das Meer.

 

Auch um diese Jahreszeit lohnt ein Sprung ins kühle Nass. © Martin Pühringer

 

Wer bereits schwitzige Finger hat, kann gleich mal nach Osp oder Crni Kal abbiegen. Sucht man jedoch ein schönes Städtchen im Hinterland, fährt man am besten weiter und hält die Augen offen nach Hügeln. Dort tummeln sich diese üblicherweise.

Über der Grenze entzückt gleich mal das malerische Buzet die Herzen. Auf diesem Hügel laden die alten Mauern zum Verweilen und Kaffeetrinken ein.

 

Das kleine Städtchen Buzet. © Felix Autor

 

Schattige Felsen gibt’s auch gleich um die Ecke, z.B. im Buzetski Canyon. Zur Genüge gibt es in Istrien allerdings Kletterfelsen zum Schwingen in der Sonne. Auch im Buzetski Canyon, aber viel mehr in der Umgebung  des kleinen Dörfchens Roc, z.B.: im Sunset Sektor Ciritez oder im schönsten und beliebtesten Klettergebiet der Gegend, in Kompanj. Apropos Roc, ein großes historisches Highlight für Künstler und Buchdruckinteressierte!

 

Traumhafte Stimmung beim Sonnenuntergangsklettern in Kompanj. © Felix Autor

 

Die kleinen Dörfer ringsherum geben ein schmackhaftes Topping auf die Landschaft und geben der Gegend einen verträumten Charme. Wer auf Trüffel steht, dem sei das majestätisch gelegene Motovun empfohlen. Man kann sich beim Weg hinauf durch unzählige Trüffelshops verköstigen lassen und verstehen, wieso Trüffel so unfassbar teuer sind. Schon lecker, aber ganz ehrlich: Wir bleiben bei Nudeln mit Gemüse 😉

 

Ein Trüffelshop nach dem Anderen pflastert den Weg hinauf zum Stadtplatz von Motovun. © Martin Pühringer

 

Das landschaftlich malerische Klettergebiet Itarski Toplice ist übrigens (leider) mittlerweile nahezu komplett gesperrt. Naturschutz muss respektiert werden. Wir sagen „Halleluja“, als wir nach steilem Aufstieg dennoch diese spektakuläre Höhle finden. (Halleluja Cave ist neben Frat ein Sektor, der nicht gesperrt ist).

 

Die Halleluja Caves im Klettergebiet Itarski Toplice. © Martin Pühringer

Einer der wichtigsten Ausrüstungsgegenstände bei unserer Kletterreise. © Martin Pühringer

 

Unser opulentes Frühstück im Sonnenaufgang über den Wellen des Nebelmeers bleibt in guter Erinnerung. Auch die Kletterei. Die 8c+ durch das Dach war einfach unmöglich, so kraxelten wir lieber diese witzige Strickleiter hinauf.

Einfach herrlich. Es sind genau diese sonderlichen Abweichungen von Normalität, die solche Tage unvergessen machen. Und es ist erst morgens halb 10 Uhr in Kroatien.

 

Wir lieben diese stabil soliden Klettertage in feiner Gesellschaft mit immer wiederkehrender Ritualität:

Schlafen, Frühstücken, Klettern, Kaffeetrinken, Klettern, Abendessen, Philosophieren, Schlafen…

 

 

Aber Muskeln werden müde, die Haut dünn. So laden auch Kletterreisen ein zum Gegenden bestaunen, zum kulturelle Perspektiven erweitern beim Statuen bewundern, zum Inschriften lesen oder zum Einheimische in Gespräche verwickeln.

 

Und manchmal kommt da auch die Lust auf ein sündhaft teures Craft-Beer und auf eine Trüffelpizza.

 

Das kulinarische Highlight auf unserer Reise: Trüffelpizza. © Martin Pühringer

 

Die kurzen Tage vergehen auf jeden Fall schneller als der Wind, gerade dann, wenn die Neugier nur so vor sich hin strotzt. Beim Schreiben denken wir zurück ans entschleunigte schlendern durch Pazin, mit seinen imposanten Kastellen und Grotten, Schluchten und Wasserfällen. Oder an den Charme der  zauberhaften Städtchen am Meer wie Rovinj oder Porec. Wer die Augen offen hat nach Felsen, der wird welche finden.

 

 

Enden möchten wir mit einem Sprung ins erfrischende Meer im kitschigen Licht der untergehenden Sonne. © Martin Pühringer

 

 

Wir sind dankbar für jeden Moment, der uns in die Welt hinaus bringt, uns neue Einblicke gewährt und im Ausblick träumen lässt.

Noch vielmehr dankbarer sind wir aber für dieses große Privileg, diese Momente erleben und  genießen zu können. Danke. 

 

Wenn du mal mit einem Kletterguide von Freiluftleben zum Klettern in den Süden möchtest, kontaktiere uns gerne. Wir bieten nicht nur eine kompetente Kletterbetreuung, sondern werden auch versuchen, dass unser gemeinsame Zeit fantastisch wird.

 

Auf geht’s zum Klettern nach… 



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Hochtouren Klettern Wandern

Alpinkader Expedition nach Kirgistan

Eine Expedition ist gerade durch die Reduktion auf die elementaren Dinge und aus dem Verlust des oft „Zuvielen“ des normalen Alltages ein Gewinn. Gemeinsam draußen sein – atmen, essen, bewegen – einfach leben. Eine Quelle reichhaltiger Erfahrungen, eine Bereicherung durch dieses bewusst gewählte Entbehren von Vielem, wobei unsere Taschen einzeln gesehen vermutlich noch immer mehr beinhalten als der ganze Hausrat einer nahegelegenen Hirtenfamilie. Aus der Position des Überflusses erlebt man schnell etwas als Reduktion, als vermeintlich existenziellen Verlust, auch wenn es nur eine Einzelheit oder ein Grad Celsius Raumtemperatur ist, der weniger wird…der Überfluss bleibt.

Aus umwelt-, gesellschaftlicher-, sozialer- und finanzieller Sicht ist eine Expedition kein vertretbarer Dauerzustand, sondern eher eine individuelle Freiheit von Privilegierten. Eine Ausnahme, eine Besonderheit, ja ein Luxus, den in aktuellen Zeiten mit gutem Gewissen nachzugehen noch vertretbar ist? In mir formuliert sich zu dieser Frage ein eindeutiges Jein und der Nachsatz zur vollständigen eigenen Verwirrung: „Es kommt auf das Wie und die Häufigkeit an!“. Diese Frage, entschied ich, im Sinne eines guten eigenen Wohlbefindens, nicht evidenzbasiert zu ergründen, sondern bediente mich der, wenn auch teils verhängnisvollen aber auch angenehmen, menschlichen Fähigkeit des Verdrängens und bestärkte mich letztlich durch das österreichische, fatalistische Motto „Wird scho passn!“.

Ziel der Reise

war Kirgistan (Hauptstadt Bischkek, 6,5 Millionen Einwohner, Fläche ca. doppelt so groß wie Österreich, 90% der Fläche ist über 1500 m Seehöhe), ein dünn besiedeltes, gebirgiges Land, welches von Kasachstan, Usbekistan, Tadschikistan und China umgeben ist. Seit dem Zerfall der UdSSR 1991 ist Kirgistan ein mehr oder weniger unabhängiger, demokratischer Staat. Das Land wirkte auf mich wie eine Mischung aus russisch-kommunistischem und mongolisch-asiatischem Einflüssen.. Die Menschen haben daher ein sehr vielschichtiges Aussehen. Die Wohnform reicht vom Plattenbau bis hin zu nomadisch organisierten Jurten. So wechseln sich auch Anschriften auf Russisch mit Kirgisisch einander ab oder russisch orthodoxe Glaubenseinrichtungen stehen neben islamischen Moscheen. Monumentale bronzene Figuren vergangener „Helden“ und riesenrote Landesflaggen stehen neben Lehmhütten und Jurten der Nomadenkultur in karger, meist trockener, nicht enden wollender gebirgiger Landschaft. 

Riesengroße kirgisische Fahnen stehen wahllos erscheinend in karger Landschaft. © Timo Moser

Traditionelles kirgisisches Fladenbrot. © Timo Moser

Letzte Besorgungen in Osh am Basar. © Timo Moser

 

Schon bei den ersten Erkundungstouren in Osh zeigten sich die Kirgisen als wahnsinnig offene, interessierte und herzliche Menschen. Als Tourist wird einem hier mit unglaublicher Neugierde und Offenheit begegnet, ein Umstand, den man von Zuhause anders kennt. Die Leute sprachen uns nicht nur aktiv direkt auf der Straße an, sondern nahmen sich auch mal kurz eine Auszeit von der Arbeit, um uns den gefragten Ort in 10-minütiger Entfernung persönlich zu zeigen. Eine Seltenheit oder gar eine Unvorstellbarkeit, dass einem dies in Österreich passiert? Der Umgang mit Zeit und dem Miteinander schien hier einen anderen Stellenwert zu haben.

 

„Durch das Du (Kirgisen) erkennt man das eigene Ich (Österreicher), wodurch mir unsere getaktete und anonymisierte Gesellschaft ein Stück weit vor Augen geführt wurde.“

 

 

 

Da wir alle Sechs, ausser eine meiner Taschen, in Osh landeten, erhöhte sich die schon erwähnte Reduziertheit oder anders gesagt, reduzierte sich der materielle Fundus nochmal um ein Eizerl. Schlussendlich überraschte es mich, wie gut wir das nicht angekommene Material kompensieren konnten und wie viel weniger auch noch reicht – “Genug ist nie Zuwenig”! Naja eine lange Unterhose besorgte ich mir noch in der Damenabteilung in Osh, dann ging’s los.

Reisen dieser Art sensibilisieren einen nicht nur wieder auf das Existenzielle, sondern zeigen einem auch, wie anders „das Leben leben“ sein kann. In unversicherbarer Art und Weise zeigt solch eine Unternehmung, dass alles im Leben kommt, was kommen soll, und zwar meist anders als gedacht und geplant.

 

Expeditionsstart

Somit starten wir gepäcksreduziert, Straßen vermurt, Basislagerort verschoben und Zustiegsbrücke gebrochen unser Abenteuer. 

Basislager im Surmetash Valley. © Timo Moser

Dank Zuversicht, Kreativität und Flexibilität im geistigen Gepäck genossen, litten, erfreuten, ertrugen und erschlenderten wir uns so manche Tour und Gipfel im Pamir Alai Gebirge bzw. Surmetash Valley. Alles war irgendwie anders und anstrengender als am Schreibtisch geplant, aber dadurch auch um vieles lebendiger. Es war rückblickend aufgebaut wie eine gelungene Geschichte. Ein Start mit viel Ungewissheit, dem wir mit tragischem Optimismus begegneten. Wir erlebten überraschende Wendungen, Momente der gefühlten Ausweglosigkeit, gefolgt von Momenten des erfüllenden Gelingens. Zeiten körperlichen Hochgefühls wechselten einander ab, mit Zeiten, bei denen man über einem Erdloch, dehydriert, erschöpft und mit brummendem Schädel hockelte.

Aufstieg in wundervoller Morgenstimmung. © Timo Moser

Gipfelgrüße von 5200m © Timo Moser

 

Spätestens jedoch nach ein paar Tagen der kulinarischen Verpflegung von Kirill (spasiva!) im Basislager gewann letztlich das Hochgefühl die Oberhand. Nach eindrucksvollen vier Wochen sackelten wir alles zusammen und ab ging’s zu dem Wesentlichsten im Leben, zu unseren Familien und Freunden. Bergsteigen ist und bleibt für mich die schönste Nebensache der Welt. 

Expeditionsgruppe v.l.n.r Andi, Kollege vom Fahrer, Anna, Kirill, Smat (Fahrer), Timo sitzend Sevi, Mike und Matthias. © Timo Moser

 

Danke..

euch Fünf für die gemeinsame Zeit, die wir verbrachten, die Möglichkeit euch das eine oder andere zeigen zu können und einiges von euch zu lernen. Danke fürs aufeinander schauen und das gesunde Zurückkommen. Danke für die Unterstützung der IMTC Travel Agentur, insbesondere durch Margarita und Kirill für die kulinarische Verwöhnung. Danke letztlich an die Sponsoren für das hochwertige Material.

 

Infos zu unseren durchgeführten Touren:

Peak 5200m

(Northwest Peak of Sauk Dzhaylyau Center, GPS N39.759323, E71.943772) South Side, left ice couloir, 500hm ice Gully W2 and 2 pitches 4a, nothing in suit, in “world topo map” its wrongly the highest Point.

Decent: abseiling on abalakows.

Material: 4x ice screws, 1x ice axes/person, small Friendsortiment

 

Peak 5230m

(Sauk Dzhaylyau Center, GPS N39.760189, E71.947811) South Side, right ice couloir

 

Peak 4970m

(GPS N39.747555, E71.946715) East Ridge, 400 m, 4c.
Decent abseiling north Ridge and then abseiling over the east-snow-slope to the ABC.

 

 

Attempt on Peak 4701 m EypcyH

(GPS N39.830931, E71.918785), Southeast Ridge, very poor Rock, decent in the same way as up.

 

Attempt on 4,866m russian Route

(GPS N39.766568, E71.935526) We climbed 2 pitches, returned and drilled therefore one Bolt for abseiling.

Link: http://publications.americanalpineclub.org/articles/13201213633

 

„Why Not“ on Peak

(GPS N39.795151, E71.944324) 6b, 250m, 6 pitches, after 6 pitches 200m easy (I-II) to the top. Nothing in suit, 2x #0,3-#2, some Nuts

Decent: easy walking straight upwards about 150 m and then travers down.

 

„Austrian Direct“ on the Naturfreunde Pillar

(GPS N39.751431, E71.999237), 450 m, ~6c (6b/A1), 9 Pitches

Great granit climb, with a steep middle section and some fabulous cracks.

Protection: one M8-Bolt (A4/ 80mm) on every Belay-station. Starting Point is marked with a bolt.

Decent: for abseiling in suit one bolt or drop out and decent by foot.

Material: 60m Double Rope, 1x microfriends #000-#2, 3 pieces Offsetcams, 2x Camalots #0,3 – #3, 1x Camalot #4, Camalot #5 (not totally necessary), nuts, Pitons&pecker not needed or just 3-
5 pieces.

Bivi: after 6 pitches a medium quality ledge or a very good bivi-place (flat Tennis-court size) on top of Naturfreunde Pillar.

 

 

Tyrolean traverse

prepared with one 60m static Rope just on two blocs fixed, located here
N39.803541, E 71.953147 – We removed it again. Rivercrossing can be difficult in Summer/high temp and two bridges were broken 2022.

 

 

Unterstützt wurden wir von:

Mountain Equipment, Grivel, Beal, Bergfreunde, IMTC travel, Alpinistengilde, Naturfreunde, Hydro flask

 

 

Links vergangener Expeditionen:

https://risk.ru/blog/205615
http://publications.americanalpineclub.org/articles/13201213633

Podcast – Klettern mit Kindern

Wer vorhat, mit seinen Kindern klettern oder bouldern zu gehen, der sollte sich unbedingt diese Podcast-Folge anhören!

Friluftsliv (norw.) = Freiluftleben

Jede*r von uns, der das Draußen-Sein zelebriert (ob nun mit seinem Zelt an einem einsamen Strand, in einer kalten Biwaknacht am Berg oder beim Radlfahren im Regen), weiß vielleicht um den Flow des Seins, dieses tiefe Gefühl der Zufriedenheit. Es fühlt sich da draußen in der Natur, am Fels oder  im Schnee oftmals alles so richtig an, fern von Verpflichtungen, Sorgen und Alltagsstress. Wir atmen dieses Gefühl tief ein und lassen uns inspirieren zu einer historisch-philosophischen Reise nach Norwegen, wo das Allmannsretten (Jedermannsrecht) allen Menschen bedingungslos die Begegnung mit der Natur ermöglicht.

 

In Norwegen entsprang “Friluftsliv”, was wörtlich übersetzt Freiluftleben heißt. 

 

Norwegen ist eines der dünn besiedeltsten Ländern (auf 1 km² kommen 14 Einwohner*innen) mit endlos weiten unberührten Naturlandschaften. Friluftsliv ist dort in der Kultur und Geschichte tief verwurzelt und heute im Gesetz verankert.

Es ist schwer, eine trennscharfe Definition für Friluftsliv zu finden. 

Im „Atlas of Happiness“ wird Friluftsliv als „ungezwungene Lebensart im Einklang mit der Natur“ beschrieben, die „unsere gefühlte Seelenverwandschaft zu wilden und natürlichen Gegenden“ ausdrückt. „Diese Naturverbundenheit kann nicht nur Freude bereiten, sondern uns auch verändern“, ja, es kann „sogar ein quasi-religiöses Gefühl für gesteigertes Bewusstsein und mehr Ganzheit des Seins vermitteln.“

Swantje Bittner nennt Kriterien wie im Freienachtsam und umweltbewusstnicht motorisiertkein Konkurrenzdenkenkörperlich und intellektuell forderndmöglichst einfach und puristisch für Frilfutsliv.

Für den Friluftsliv-Pionier Fridtjof Nansen (1861-1930) bedeutete es “das freie, einfache Leben, in frischer Luft, das uns das Privileg wiedergibt, das zu tun, was die ursprüngliche Bestimmung des Menschen ist” (Nansen, 1916). Die Erfahrung in und mit der Natur wird als zentraler Lebenssinn angesehen. Nils Faarlund, Gründer von Norges Høgfjellsskole* und einer der einflussreichsten Friluftsliv-”Lobbyisten” der letzten Jahrzehnte, schlägt eine Werteorientierung vor, um ein Verständnis von Friluftsliv zu entwickeln. Inspiriert von Rousseau und entstanden in der Epoche der Romantik transportiert es deren Werte wie Gefühl, Intuition, Leidenschaft, Erlebnis, Genuss, individuelle Freiheit, Sehnsucht, Fantasie, Träume, Idealismus, schöpferisches Wirken, Mystik, das Irrationale und Unbewusste als “Kiel und Ruder für Denken und Taten”. Friluftsliv birgt die Möglichkeit, die “wahre” Schönheit der Wildnis zu erkennen und somit einen Weg zu sich selbst zu finden.

 

Friluftsliv meint die gemeinsame Gestaltung einer achtsamen Zeit, eine „unnützliche“ Beschäftigung in und mit der Natur. 

 

Damit einhergehend wendet sich Friluftsliv als “Kind der Romantik” kritisch gegen Ideen von Konkurrenz, gegen Rationalismus, die Aufklärung, das Etablierte, das Bürgertum, das Konservative, das ehrgeizige Streben nach wirtschaftlicher Effizienz und gewinnorientierter Funktionalität. Vor allem nach dem 2. Weltkrieg bekommt Friluftsliv eine starke gesellschaftskritische Haltung. Die Ausbeutung der Welt erreicht mit der zunehmend globalisierten Wirtschaftswelt und Macht der Unternehmen immer wieder neue Höhepunkte. Nicht nur der Widerstand gegen die Naturzerstörung, auch das “Mahnen” eines umweltbewussten und naturfreundlichen Lebensstil wird immer mehr zu seiner Aufgabe. Sigmund Kvaloy Setreng (1934-2014) und Arne Nass (1912-2009), “hartnäckige Gegner aller Auswüchse von Ökonomisierung und Wachstumsgesellschaft”, bekennende Umwelt-Aktivisten und eine der Hauptakteure der “modernen “ Friluftsliv-Szene,  etablierten Ende des letzten Jahrtausends die ökophilosophische Bewegung, welche das Entwickeln von öko-sozialen Lebensformen und Möglichkeiten für ein Leben im Einklang mit Mensch und Natur sprichwörtlich “lebte”. Für Arne Nass war Friluftsliv ein Lebensstil-Konzept, um sich bewusst und respektvoll gegenüber der Natur und Umwelt zu verhalten, anstatt “den Planeten für die Befriedigung von menschlichen Luxusbedürfnissen” zu missbrauchen. Er nannte seinen Ansatz “Tiefenökologie”, heute nennen wir es Nachhaltigkeit oder die Theorie des lebendigen Planeten. Friluftsliv wird somit ebenso als kritischer pädagogischer Ansatz praktiziert

 

Friluftsliv ist keine bestimmte Aktivität, sondern eine Einstellung, eine Lebensphilosophie, eine Haltung. Es drückt tiefe Verbundenheit mit der Natur aus und fordert Empathie für die Umwelt.

 

Friluftsliv wird also “im Tun” stets mitgetragen. Die Erholung von der Zivilisation und die Ausübung körperlicher Aktivitäten in der Natur ist in Norwegen anerkanntes kulturelles Gut und dort im Bildungssystem gut verankert . Schüler*innen haben Friluftsliv als Schulfach, und es gibt unzählige Vereine und Organisationen, die Friluftsliv anbieten (vgl Westersjo, 2007). Friluftsliv hat das Bildungsziel, dass sich Menschen

  • Einstellungen (z.B. Lebensstil, Naturverbundenheit, Umweltbewusstsein…)
  • Fähigkeiten (z.B. Wahrnehmen von Gefahren, Gleichgewichtssinn, …) 
  • Fertigkeiten (z.B. Feuer machen oder Steigeisen richtig anwenden)

aneignen und damit einen “gesunden” und “natürlichen” Zugang zu körperlichen Aktivitäten und Bewegungsformen in der Natur bekommen. So stehen Wildniscamps, Alpinschulen und Outdoor-Unternehmen im klaren Auftrag von Friluftsliv. 

 

Was ist Friluftlsiv heute?

Friluftsliv genießt einen hohen Status in Norwegen und ist bei all Jenen, die das Privileg haben, sich Friluftsliv leisten zu können, ein fester Bestandteil des Lebens. Das “moderne” Friluftsliv hat natürlich nicht vor der touristischen Instrumentalisierung halt gemacht, so steht bei vielen Anbietern nicht mehr “nur” das Naturerlebnis und die Lernerfahrung, sondern oftmals auch “Sensation”, “Action” und “Outdoor-Konsum” im Vordergrund. Das traditionelle “romantische” Verständnis rückt durch die Kommerzialisierung oftmals in den Hintergrund.

Allerdings befindet sich die Gesellschaft im steten Wandel. Fridays for Future hat uns gerade aktuell wieder ins Bewusstsein geholt, dass wir Menschen nur einen einzigen Planet Erde haben und für eine lebenswerte Zukunft unser Mindset ändern sollten. So wird Friluftsliv mit dem aktuellen “neo-ökologischen” Zeitgeist zunehmend wieder richtig “hip” und reiht sich gut neben Lebenseinstellungen wie Minimalismus, Work-Life-Balance und Klimabewusstsein ein. 

Friluftsliv bekommt in Norwegen nachwievor starken politischen Rückhalt und wird breit gefördert, es steht im Rahmen von Vermittlung von Kultur und Tradition, der Gesundheitsförderung und Förderung von Umweltbewusstsein auf der politischen Agenda. Auch in der EU und in Österreich bemüht man sich heute in Schule und Universität, mit BNE (Bildung für nachhaltige Entwicklung) auf die globalen Herausforderungen zu sensibilisieren. Aber es scheint so, dass Norwegen schon lange wirklich verstanden hat, dass das “Raus in die Natur” überlebensnotwendig ist, um der “dicken” Luft der Zivilisation zu entkommen und wirklich “freie” Luft atmen zu können (vgl. Hofmann, 2015). So lassen wir uns gerne von einer gelebten Tradition als nur von einem neumodischen Trend inspirieren.

 

Was lernen wir von Friluftsliv für Freiluftleben?

Als Timo von seiner Norwegen-Reise zurückkam, erzählte er ganz inspiriert von diesem besonderen Zugang zur Natur, der Weite und Einsamkeit der Landschaft und dem Jedermannsrecht in Skandinavien. Das Allmannsretten erlaubt ein freies Bewegen, Zelten, Biwakieren sowie Lagerfeuer und Fischen in der Natur. Dies alles natürlich nur unter Berücksichtung eines respektvollen und nachhaltigen Umgang mit der Natur und dieser unglaublichen Freiheit. In Norwegen ist übrigens die Ausübung von Freiluftleben im friluftsloven (Freiluftgesetz) gesetzlich verankert. Dieses Verständnis von Freiluftleben als Grundrecht für alle Menschen hat uns zudem dazu bereichert, unseren Zweig Soziales zu etablieren, der den Auftrag hat, einen Zugang zur Natur und unseren Programmen und somit Teilhabemöglichkeiten für sozial benachteilige Menschen zu ermöglichen.

So war es uns von Anfang an sehr wichtig, nicht nur Programme zu verkaufen, sondern auch eine Haltung und ausgewählte Werte anzubieten. Wir versuchen, diese Haltungin unserer Philosophie wieder zu spiegeln und in unseren Programmen sichtbar werden zu lassen.

 

“If you want to create a nature friendly future, people need to get acquainted with nature and make friends with it.” (Nils Farlund)

 

Natürlich kann man Friluftsliv nicht einfach nach Mitteleuropa übertragen, denn es ist kulturell mit den großen Naturlandschaften Norwegens verwoben. Wir möchten dennoch folgende Dinge hervorheben, die wir bei Friluftsliv besonders lehrreich finden:

  • Erlebnisse teilen und gemeinsam unterwegs zu sein
  • (Un)Sicherheit und Risikobewusstsein leben = qualitativ hochwertige Lehre!
  • Achtsamer Umgang mit Mensch, Natur und Umwelt fördern
  • Das Privileg Freiluftleben Menschen zugänglich machen

So werden wir von Freiluftleben stets neben der Einhaltung hoher Sicherheitsstandards und pädagogischer Güte einen besonderen Wert darauf legen, dass neben der Aktivität auch immer ein Bewusstsein für das Rundherum, für einen Blick neben den Weg, für die Ferne oder für das philosophische Gespräch bleibt. Es liegt uns am Herzen, stets demütig und in tiefer Dankbarkeit ein Erlebnis teilen zu können, sich diesem Privileg immer wieder bewusst zu werden…

*Norges Høyfjellskole: erste Alpinschule Norwegens, gegründet 1967

 

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Outdoorpädagogik

Pauleasca Reise

Der Text wurde geschrieben von Andrea Schider.

Am 23.09.2018 starteten wir ausgehend von Salzburg unsere Reise nach Pauleasca. Es stand uns eine Autofahrt von knapp 1400 Kilometern bevor – einmal quer durch Österreich, durch Ungarn und fast durch Rumänien. 

Europakarte-Rumänien

Nach etwa 14 Stunden, mit einmal ein- und wieder auftauchen aus der Nacht, hatten wir es schließlich geschafft, wir waren an unserem Ziel, Pitești, angekommen. Unser Zuhause für die nächsten Tage war bei einem Haus für Jugendgruppen, getragen vom „Oblaten Orden“. Es steht auf einem tollen Areal, welches von drei jungen Priestern, zwei kleinen Hunden und vielen Katzen betreut wird. Wir wurden von der ersten Sekunde an herzlichst aufgenommen und super versorgt. Als auch Steffi Lanzdorf (Malteser Salzburg) und Anca (Malteser Rumänien – Leiterin des Roma Projektes vor Ort) dort ankamen, hatten wir erstmals bei einem gemeinsamen Abendessen die Möglichkeit, Fragen zum Projekt zu stellen und uns kennenzulernen.

Das Projekt

Die Malteser betreuen hier in Pauleasca (besteht aus den Teilen Troislav, Tinca und Tufanu) Menschen aus der Community in Tinca. Es ist kein „Dorf“ so wie wir das kennen. Man findet es weder auf einer Landkarte noch findet man dort eine reguläre Straße oder Infrastruktur wie Sanitäranlagen/Abwasser/Strom. Obwohl es zum Gebiet der Gemeinden Micesti und Malureni gehört, greift die lokale Verwaltung dort nicht. Dies drückt sich beispielsweise durch die eben fehlende Infrastruktur aus, aber auch dadurch, dass man keine Krankenstation findet und auch die Schulpflicht nur am Papier existiert. Wie viele Menschen genau dort leben, war zunächst unklar, bis Anca von Haus zu Haus ging, um für den Start des Projektes alle Fakten der Community zu erheben. Die Menschen leben in großteils notdürftigen Häusern, welche sie selbst aus Wellblech, Steinen, Holz, Ziegel, Lehm usw. nach und nach bauen. Wenn man bedenkt, dass die Winter doch vergleichbar hart und rau wie bei uns sind – man mag sich gar nicht vorstellen, wie die Bewohner diese Jahreszeit, vor allem mit Babys, in diesen Häusern überstehen….

Ein Roma Dorf in Pauleasca (Rumänien)

 

Der Fokus des Projekts wird auf Mütter mit (Klein-)Kindern gesetzt. Das Ziel ist es, jedem eine Grundlage an Bildung zu ermöglichen um den Kreislauf der bitteren Armut, in  welchem sich Roma seit Jahrzehnten befinden, irgendwann zu durchbrechen. Es soll ein Haus errichtet werden, welches als Anlaufzentrum für die Bewohner dienen soll. Man will einerseits Inhalte wie Erste Hilfe, Hygiene oder  Verhütung thematisieren und andererseits soll es auch als Treffpunkt zum Austausch für Mütter untereinander und mit den Sozialarbeiterinnen dienen. Bereits jetzt spielen die Mitarbeiterinnen jeden Nachmittag mit den Kindern und beraten die Mütter bei Schwierigkeiten rund um ihren Alltag. 

 

Anca nahm uns mit in die Community in Tinca, die etwa 20 Minuten mit dem Auto von unserer Unterkunft entfernt lag. Dort lernten wir noch Anna und eine weitere Anca kennen, zwei Damen, die auch Mitarbeiterinnen beim Projekt sind. Jeden Vormittag gehen sie durch die Siedlung, um mit den Menschen dort zu sprechen, Probleme zu erörtern, bei Bedarf materiell oder sozial zu helfen beziehungsweise Hilfe zu organisieren. An diesem Tag durften wir sie begleiten und viele bekannte Gesichter aus Salzburg begegneten uns. Viele Roma aus Tinca fahren zusammen in Fahrgemeinschaften nach Salzburg, um dort zu betteln oder Straßenzeitungen zu verkaufen und sich somit ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Sie freuten sich über unseren Besuch, erzählten über Schicksalsschläge, ihr Leben dort und zeigten uns ihre „Häuser“. Viele Kinder begleiteten uns unterwegs und waren neugierig, was wir dort machen.

Es ist schwer in Worte zu fassen, was einen dort erwartet. Eine Schotterstraße, die durch die Siedlung führt, wo man sich schwer vorstellen kann, dass es überhaupt möglich ist, diese mit einem Fahrzeug zu passieren. Häuser, in denen es weder ein Badezimmer, noch fließendes Wasser, noch Strom oder eine Kochstelle gibt. Meist haben sie nur einen Raum, in dem mehrere Personen schlafen. Darin steht ein kleiner Ofen, der vor allem im Winter wichtig ist. Einige der Bewohner besitzen Pferde, damit sie Holz oder Ähnliches zu ihren Hütten bringen können. Man begegnet dort auch vielen Hühnern, Schweinen und streunenden Hunden.

Am Nachmittag begleiteten wir Anca und Anna zur Schule. Dort werden die Kinder in einer Vormittags- und einer Nachmittagsgruppe unterrichtet. In dem Gebäude trifft sich jeden Nachmittag eine Kleinkinder – Müttergruppe aus der Community, die ebenfalls von den Sozialarbeiterinnen der Malteser betreut wird. Dort hatten wir die Gelegenheit, mit den Kindern des Dorfes zu spielen.

 

Schön zu sehen, wie schnell es geht, dass die kleinen Menschen einen riesigen Spaß haben und einem vertrauen und das obwohl wir nicht die gleiche Sprache sprechen und sie uns noch nie zuvor gesehen haben. 

 

Roma Kinder beim Spielen

Dann hatten wir die Gelegenheit uns Troislav, einer weiteren Community gleich ums Eck von Tinca, anzusehen. Auch dort leben sehr viele Menschen, die man von den Straßen aus Salzburg kennt. Diese Siedlung wird seit mehreren Jahren bereits von einer schwedischen Organisation unterstützt. Auch dort gibt es eine Schule, in der die Kinder lesen und schreiben lernen können. 

Eine Roma Schule im Dorf Pauleasca in Rumänien

Die Reise war sehr eindrucksvoll, interessant und vor allem eine große Bereicherung, durch die wir vieles von unserem, uns als selbstverständlich erscheinendem Leben wieder schätzen lernten.

Außerdem bekamen wir einen ersten Eindruck vom Alltag der Roma und ihrer Wohnsituation. Des Weiteren war es wertvoll, einen Überblick darüber zu gewinnen, welche Projekte vor Ort existieren. Das macht es uns möglich zu überlegen, was wir konkret dort bzw. generell für die Minderheit der Roma helfend tun können. Eine bereits konkrete Idee der Malteser, die wir sehr gerne unterstützen möchten, ist es, in der Umgebung von Tinca  2019 ein Kindercamp auszurichten. 

 

Zuletzt möchten wir uns bei allen bedanken, die uns diese Reise ermöglicht haben. Dabei geht ein großes “Danke” an Steffi Lanzdorf, an Anca, Anca und Anna und an die Betreiber des Hauses des Oblaten Ordens, in dem wir wohnten!!

 

Es tut gut, solche Menschen in unserer Mitte zu haben, Menschen, die sich für Minderheiten einsetzen und Großes leisten.

 

Wir hoffen, es war nicht die einzige Reise nach Pauleasca und freuen uns schon auf Ideen und Aktivitäten, die wir unterstützen oder gemeinsam umsetzen können.


Wenn du unsere sozialen Projekte mit einer Spende unterstützen möchtest, freuen wir uns über eine Kontaktaufnahme:

+43 664 64 664 23

soziales@freiluftleben.at  

Bergsportausübung in Zeiten von Corona

Der COVID-Situation angepasst führen wir unsere Veranstaltungen gemäß den geltenden Vorgaben der Bundesregierung durch und orientieren uns dabei an den Empfehlungen der alpinen Vereine:

 Covid – Maßnahmen bei Freiluftleben:

  1. 1 Meter Mindestabstand einhalten (Selbstcheck und optischer Partnercheck, kein Jausen teilen, Händeschütteln, Gipfelgruß, …) außer zum Abwenden größerer Schäden (Spotten, …)

  2. In die Ellenbeuge husten und niesen

  3. Mundschutz ist als Ausrüstungsgegenstand mitzuführen (Annäherung näher 1 m z.B. Anreise, beim Spotten, …) 

  4. Händedesinfektion (vor Erstkontakt, Jause, Situationsbedingt, …)

  5. Gemeinsames Material so fern möglich vermeiden (Vorstieg ins Seil beißen, Chalkbag, …)

  6. Anreise: Fahrgemeinschaft max. 2 Personen pro Sitzreihe oder öffentlichen Verkehrsmitteln jeweils mit Mundschutz.

  7. Risikobewusstes, umsichtiges und der Situation angepasstes Verhalten bei Bergsportaktivitäten


Wir bemühen uns sowohl um einen praktikablen als auch verantwortungsbewussten Umgang mit der Situation.

Gedanken zur Krise – Chance der Veränderung

März 2020. Corona wandert durch die Welt. Wir sind mehr oder weniger in Quarantäne. Manche können die Situation ganz entspannt sehen, viele jedoch haben existenzielle Sorgen, Panik, Angst vor der Krankheit, Angst vor der Zukunft. Verständlich, wenn der Hahn auf einmal zugedreht wird, aber der Abfluss weiterhin offen bleibt. Unser Wirtschaftsverständnis wird wahrhaftig auf die Probe gestellt.

Die politischen Maßnahmen in der Corona-Krise sind zwar einschneidend und berühren unsere Auffassung von Freiheit, aber wir unterstützen sie natürlich. In ihnen zeigt sich Solidarität und gesellschaftliche Verantwortung.

„Die Mehrheit steht vor einem kritischen Lebensereignis.“

Manche werden sicherlich von der Situation auch wirtschaftlich profitieren können, aber die Mehrheit der Menschen und Institutionen steht erstmal vor einem großem kritischen Lebensereignis: Große Unternehmen, kleine Unternehmen. Einzelunternehmer*innen, Selbstständige, Künstler*innen, Lehrer*innen und und und, aber auch, Kinder, Jugendliche, Senior*innen, Familien, Alleinstehende, Obdachlose und all die anderen Menschen in ohnehin prekären  Lebenssituationen. Die Politik wird gefordert sein, um wirtschaftliche Verluste und persönlichen Krisen etwas abzufedern, vieles wird jedoch an die Grenzen gehen.

Die Effekte auf einer individuellen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Ebene werden derzeit hoch spekuliert und werden natürlich auch uns betreffen. Wir sind auf jeden Fall gespannt, wie sich die Situation entwickeln wird…

Wie gehen wir mit der Corona-Auszeit um?
Klar, Freiluftleben als Unternehmen muss sich erst einmal durch den plötzlichen Einbruch der Nachfrage der wirtschaftlichen Diskussion stellen und kurzfristig nach Möglichkeiten suchen, wie die fehlenden Einnahmen kompensiert und die laufenden Verpflichtungen auch weiterhin erfüllt werden können. Es geht um Geld, Investitionen und das Skizzieren von Liquiditätsszenarien. Wir sitzen alle im gleichen Boot,  jede*r Unternehmer*in stellt sich wohl gerade die ähnlichen Fragen.

Der Markt stürzt sich momentan auf die digitale Welt, Bildungsinstitutionen und Unternehmen optimieren sich auf die Onlinearbeit, im Sekundentakt flattern Newsletter mit neuen Möglichkeiten der Informations-und Kommunikationstechnologien ins Postfach, wir hängen viel vor den Bildschirmen herum, Skype, Zoom, whereby, livestreaming etc sind unsere aktuellen Begegnungs- und Bildungsräume. Sollten wir vielleicht auch auf virtuelle Hochtourenkurse oder Glocknerführungen umschwenken? Eine Online-Akademie einführen und digitale Produkte vermarkten? Vielleicht kommt diese Zeit, aber…

…noch bleiben wir dabei: Freiluftleben möchte in erster Linie gemeinsam draußen unterwegs sein, an der frischen Luft, am Berg, im Kontakt mit Natur und Mensch. Wir freuen uns sehr darauf, wenn wir einander bald wieder begegnen und begleiten können.

Wie können wir etwas bewegen?
Wir vergessen manchmal, dass nicht nur mit Geld etwas bewegt werden kann. Durch die Corona-Krise werden zwar plötzlich nahezu all unsere Wirkstätten (= Einnahmequellen) versperrt, aber wir bekommen zumindest eine andere Währung, das Mittel „Zeit“ zur Verfügung, über die wir selbst bestimmen können. Ich muss gerade kein HomeOffice im Schlafzimmer erledigen und muss nebenher drei Kinder in einer Plattenbauwohnung ohne Balkon bei Laune halten. Ich bin gerade nicht allein in einem Flüchtlingscamp, weit weg von meiner Familie und meinem Zuhause, ohne jegliche Perspektive. So sind wir sehr dankbar für dieses Privileg und begeben uns gleichzeitig in Demut gegenüber vielen anderen Menschen, die es weitaus härter trifft, höhere Ausgaben stemmen müssen und eine viel größere Verantwortung auch ihren Familien oder Angestellten gegenüber haben in dieser herausfordernden Zeit. Ich habe eher (noch) Luxusprobleme…

Wir werden unser Bestes tun, die Zeit so sinnvoll wie möglich zu gestalten, sie für uns erfüllend zu befüllen, uns gegenseitig zu unterstützen und etwas davon zu geben, einen aktiven Beitrag für die Gesellschaft leisten, jetzt und in Zukunft.

Ich denke, unsere Angst sollte uns jetzt nicht in Panik und in die Flucht in vermeintliche Sicherheiten führen. Um unsere Angst und somit uns selbst besser kennenzulernen, können wir nun diesen Retreat persönlich für uns nutzen. Lasst uns einen inneren Dialog führen. Die aktuelle Corona-Askese ist prädestiniert dazu. Wir brauchen unsere Angst, ob beim Klettern, Bergsteigen, im Alltag oder in Krisen, aber wir dürfen uns nicht von ihr leiten lassen. Das Anliegen der Angst ist lediglich das Beschützen. Nicht aber das Verängstigen. Krisen sind Gefahr und Chance zugleich, Wendepunkte, Gelegenheiten, Entscheidungen. Jede krisis (gr Unsicherheit) birgt großes Potential für Entwicklungen und Veränderungen.

Ein kleiner Blick hinter den Vorhang:
Wir befinden uns viel im Austausch miteinander. Die Reflexion der Vergangenheit und die aktuellen Erfordernisse bewirken auch bei uns ein Umdenken, erschaffen neue Visionen, bestärken viele bisherigen Wege und zeigen gleichzeitig auf andere Richtungen. Wir lassen uns oft von der Illussion des linearen Wachstums verführen. Wir stellen wieder einmal Fragen für unsere Entwicklung: Wie können wir resilienter und somit zukunftsfähig sein? Wie können wir unsere Homepage ändern, inhaltlich und technisch, damit sie attraktiver für die Öffentlichkeit wird und gleichzeitig auch Inspiration sein kann? Wie können wir noch mehr gesellschaftliche Verantwortung tragen, globale Empathie zeigen? Wie sind die rechtlichen Rahmenbedingungen für unsere Ideen? Wie bleiben wir „liquide“? (…) Der Freiluftleben-ThinkTank bewegt sich gerade zwischen produktive Arbeitssessions und visionären Diskussionen.

„Krisen sind ein fester Bestandtteil von Entwicklung.“

Wir sind auch gefordert, einen veränderten Alltag zu gestalten. Die langen Weilen sind aber nicht langweilig. Das achtsame Aufeinander schauen und die intensive Zeit mit den Nächsten bereichert mich sehr. Ich erfreue mich z.B. an den schönen Geschichten, wenn z.B. Mieter freiwillig auf ihre Miete verzichten oder Aktionen wie Nachbarschaftshilfe.

Natürlich verfolge ich gespannt die aktuelle gesellschaftliche Diskussion, die Entwicklungen in der Wirtschaft und die Maßnahmen der Politik. Die Krise wird große Auswirkungen auf uns haben. Eine schmerzafte Zeit der Trauer, es werden noch viele Menschen wegen Corona sterben. Die Sorgen sind groß. Die Wirtschaft wird wohl zusammenbrechen und viele soziale Probleme auslösen. Unser Glauben an den neoliberalen Kapitalismus wird nun stark infrage gestellt. Ich hoffe aber nicht, dass die vorhandene bzw. entstehende Angst, Macht, Ungleichheiten und soziale Ungerechtigkeiten unsere Gesellschaft noch mehr spalten, sondern dass wir vielleicht nun doch mehr aufeinander zugehen werden.

Eine Zeit zum Sinnieren:
„Ich sitze gerade auf einer Bank, neben einem Baum, der bereits voller Knospen ist, erste frischgrüne Blätter blinzeln bereits hervor. Ich bilde mir sogar den sachten Duft des gelb blühende Busch hinter mir ein. Der Frühling kommt nach Salzburg. Uii, der Wind rauscht aber gehörig durch die Wipfel. Meine Blicke schweifen zu meinem Sohn, der zufrieden in seinem Kinderwagen schläft. Auf einmal merke ich, dass meine Finger von dem geschäftigen Tippseln schon ganz eiskalt geworden sind. Brr, kalt, grau und trüb ist es heute. Morgen wird das Wetter wieder schön. Die Zeit wird sicherlich nicht stehen bleiben.“

Das Wetter und die Natur lehrt uns jeden Tag etwas über die Zeit. Die Zeit verändert ständig und macht lebendig. Das Wetter ist in der Zeit, manchmal stabil, manchmal wechselhaft, manchmal erbarmungslos gewaltig, manchmal einfach perfekt. Wir können weder Zeit noch Wetter beeinflussen. Wir können aber selbst entscheiden, wie wir mit Zeit und Wetter umgehen.

Schlussbilder
Aktuell liegt ein relativ stabiles Corona-Hoch über der Welt. Die starke Hitzewelle fordert weltweit noch immer ihre Opfer. Aber bereits erste Kaltluft-Pfropfen kündigen frischen Wind und angenehmerer Luft an. Jede Wetterlage wird sich irgendwann ändern müssen, denn die Welt braucht ständige Instabilität, Krisen für ihre Balance. Sehen wir die Corona-Krise wie ein extremes Wetterphänomen, an welche wir uns ohnehin im Hinblick auf den Klimawandel gewöhnen sollten (zum Thema “Mögliche Klimaszenarien in der Zukunft” empfehle ich David Wallace-Wells). Krisen bringen zwar ersteinmal Zerstörung, Depression, Zweifel, brechen den Alltag auf. Aber schaffen somit auch Platz für Innovation und Wandel. Das ist der Weg der Entwicklung.

„Wir möchten die Zeit als Möglichkeit nutzen, Neues zukunftsfähig zu konstruieren.“

Der Mensch ist ja dann doch flexibel. Wenn es draußen ungemütlich wird, dann sucht er sich einen Unterschlupf und macht sich es eben drinnen gemütlich. Wer schoneinmal ein paar Tage eingeschneit wurde, weiß, wovon ich rede 😉

Ich ende mit hippen Tagphrasing: #flattenthecurve, #wirhaltenzusammen, also #stayathome bzw. #keepdistance beim #spazierengehen aus #respekt gegenüber risikogruppen und wichtigen gesundheits- und versorgungssysteme, #leavenoonebehind, aber auch, #staypositive, #carpediem, #setyourmind und #solidaritätzeigen, sprich,#machdasbestedraus, und schon vergeht die Zeit wie im #flow.

In diesem Sinne, viel Kraft und Erfolg beim Durchleben der Krise, bleibt Gesund und hört nicht auf, Pläne zu schmieden. Das Wetter wird sich wieder ändern, das ist gewiss ;).

 

Jodelkurs auf der Alm

Jodeln auf der Alm!
Heuer war es zum ersten Mal soweit und wir – Anita Biebl (Musik- und Tanzpädagogin) und Stefanie Lettner (Wanderführerin) – machten uns mit sieben hochmotivierten und interessierten TeilnehmerInnen auf, um in den Radstädter Tauern in freier Natur zu jodeln. Bei dem dreitätigen Kurs – Jodelkurs auf der Alm – nächtigten wir vom 21. bis 23.Juni auf der Glettnalm und der Tappenkarseehütte.

„Holla räiri di, di ridl du-u-o!“

 

Die Glettnalm eignete sich perfekt für den Einstieg des Jodelkurses, da wir sie ganz für uns hatten. So konnten wir inbrünstig und ohne Rücksicht auf Verluste uns vollkommen auf das Jodeln einlassen.

Am zweiten Tag verbanden wir das Jodeln mit dem Wandern. Auf unserem Weg zur Tappenkarseehütte machten wir immer wieder Halt, um mit dem Jodelworkshop fortzufahren. Ob afrikanischer Jodler oder Juchizer, alles wurde an diesem Tag bis zum Umfallen geübt.

„Drei Hoe üba d’Alm daher…“

 

Ein ganz besonderer Ort zum Jodeln bot uns ein Patz am Ufer des Tappenkarsee. Am Wanderweg entlang der Felswand gab es beim Juchizen ein wunderbares Echo. Der sogenannte Diplomjodler zum Erlangen des Jodeldiploms wurde an diesem magischen Ort von jedem/r TeilnehmerIn zum Besten gegeben.

Der dritte Jodelworkshop fand witterungsbedingt in der Tappenkarseealm statt, ganz zu Freuden der anwesenden Gäste und der Hüttenwirte. Da sich am Nachmittag noch eimal die Sonne zeigte, unternahmen wir noch eine kleine Wanderung über das Draugsteintörl zurück zur Tappenkarseehütte, um die letzten Sonnenstrahlen zu genießen.

Zufrieden und beschwingt vom vielen Jodeln ließen wir den Tag gemütlich in der Hütte ausklingen und gaben den einen oder anderen Jodler zum Besten. Erwidert wurde dies von einer Gruppe Niederösterreicher die ihre volkstümlichen Lieder in unsere illustre Runde einbrachten.

…Ein lustiger Abend!…

Den Sonntagmorgen ließen wir mit dem vierten und letzten Jodelworkshop ausklingen. Zum Schluss und ganz zu Freuden der Kursteilnehmer verliehen wir die Jodeldiploma. Nun hatte es sich auch jede/r wirklich verdient.

Wir bedanken uns recht herzlich bei unseren Teilnehmern und Teilnehmerinnen für das wunderbare Wochenende und freuen uns auf das nächste Jahr!
Eure Anita und Steffi!


Aktuelle Termine für unser Programm „Jodelkurs auf der Alm“ sowie weitere Angebote findest du hier:

 

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Eisklettern Geführte Eisklettertour

Erstbegehung – „Zauber der Vergänglichkeit“

Unterwegs sein bedeutet oft Inspiration und Quelle neuer Ideen. So schweift der Blick oftmals weg von der Spur des Alltäglichen und sucht in der Umgebung umher nach Möglichkeiten für neue Herausforderungen und Wege im Leben. Während für Klettereien im Fels viele Tage im Jahr zur Verfügung stehen, bleiben bei Eisspuren und besonders für Eislinien in Südwänden meist nur winzige Zeitfenster zum Klettern. Bei der Entdeckung von Eis entsteht in unserer Klimazone und –erwärmung deswegen im gleichen Augenblick die Frage nach dessen Vergänglichkeit. Die Dringlichkeit einer Handlung ist bei südseitigen Eislinien durch die womöglich sehr kleine Dauer der Existenz stark erhöht.

„…bei einer Erstbegehung im Eis in einer winterlichen südseitigen 550 m-Wand aus Kalkgestein müssen schon sehr viele Faktoren zusammenpassen, […] „

Wenn Sonntagabend Timo die SMS tippt: „Dienstag Eis-Erstbegehung? Super Linie!“, dann war mir klar, das wenig zeitlicher Spielraum vorhanden ist. Hinzu kommt, dass unsere Verpflichtungen des Alltags spontane Ambitionen, das Flanieren auf neuen Pfaden oder eben tagesfüllende Aktionen wie diese immer schwieriger machen. Bei dem Versuch einer Erstbegehung im Eis in einer winterlichen südseitigen 550 m-Wand aus Kalkgestein müssen schon sehr viele Faktoren zusammenpassen, um einen realistischen und wohl überlegten Versuch zu wagen und die große Verantwortung mittragen zu können. So braucht es also zumindest 2x (Zeit+Motivation+Vertrauen+Gesundheit+Fähigkeiten) + optimale Temperatur+Strahlung+Eis- und Schneeverhältnisse, um in dieses Abenteuer starten zu können.

Eine gewissenhafte Tourenplanung ist bei solch einer Unternehmung für uns selbstverständlich, die dann auch schnell und eindeutig ergab: Mist, Dienstag ist zu warm und zu sonnig! Aber: Die Wettervorhersage für Mittwoch wäre optimal Unsere Motivation war stark genug, alle Termine und Verpflichtungen so zu biegen, dass wir, Timo und ich, am Mittwoch um 05.00 Uhr im Auto sitzen und gemeinsam ins Tennengebirge fahren konnten.

 

Mit den Tourenski gelangten wir schnell an den vom Sonnenaufgang gerade blutorange gefärbten Wandfuß. Raus aus den Skischuhen, rein in die Bergschuhe, ein letzter prüfender Blick in den Himmel, ob auch wirklich die angekündigten Wolken kommen, eine kurze bestärkende Diskussion über unsere Einschätzung der aktuellen Situation und schon fanden wir uns nach kurzer Stapferei am Einstieg dieser gewaltigen Linie. Timo startete beherzt in die erste Länge. Die Schwierigkeit der Kletterei und die vorherrschenden Verhältnisse nahmen sich die Zeit, die für ein solides Klettern benötigt wurde. Es zeigte sich schnell, dass es wohl länger dauern würde als gedacht.

„…vereiste Wasserrillen, Glasuren wie aus Zuckerguss, mal mehr, mal weniger Eis, dazwischen kombiniertes Graspolstermosaik und Schneeeinlagen von trittfest bis wühlbar weich… genial“

Da die Sonne perfekt von den Wolken verhangen war und es wohl nicht zu warm werden würde, entschieden wir, in sich gegenseitig beflügelnder Seilschaftsperformance weiter zu gehen. Timo jauchzte somit Länge für Länge solide hinauf und durfte kreativ die Stände in die Felsnischen zimmern. Ich kletterte zügig hinterher und war dabei nicht weniger begeistert. Die Kletterei war genial anregend abwechselnd, tolle Eis-Fels-Verschneidungen, für uns noch nie dagewesene vereiste Wasserrillen, Glasuren wie aus Zuckerguss, mal mehr, mal weniger Eis, dazwischen kombiniertes Graspolstermosaik und Schneeeinlagen von trittfest bis wühlbar weich. Und das alles auch noch gut abzusichern. Mixedklettern à la carte.

Es fühlte sich alles so stimmig an. Es war wie verzaubert, das Wetter hielt, was es versprach, die Linie entpuppte sich als eine großartige Kletterei und wir kamen flüssig voran, auch wenn langsamer als erwartet.

„Ein Augenblick zauberhafter Vergänglichkeit.“

Beim Ausstiegsfinale aus der Tour wurden wir zu unserer Begeisterung von einem hell erleuchteten Mond- und Sternenhimmel begleitet. Bei besten Schneeverhältnissen stapften wir im Schein des Mondes über das in winterliche Stille erstarrte Tennengebirge. Und selbst bei der Abfahrt durften wir noch ein paar Schwünge in den im Stirnlampenlicht funkelnden Pulverschnee zeichnen – einfach unglaublich. Als wir wieder zurück ans Auto kamen, war es bereits 22.00 Uhr. Aber was sind schon 14 Stunden im Flow? Ein Augenblick zauberhafter Vergänglichkeit?

Gerade beim Eisklettern erfährt man sehr eindrücklich das Spiel der Endlichkeit. Das so voller Lebendigkeit fließende Wasser ändert seinen Zustand und erstarrt plötzlich zu fragilen Gebilden der Vergänglichkeit. Der Moment scheint wie eingefroren, wir halten uns an ihm fest und wünschen uns innig er währte ewig. Doch wie der Moment fängt auch das Wasser irgendwann wieder an zu fließen, verändert sich oder vergeht. Das Vergängliche ist somit auch ein Segen der Zeit. Jedes (Er)Leben bedeutet gleichzeitig ein Vergehen. Nur ein Hauch der Erinnerung an den „Zauber der Vergänglichkeit“ vorbeigeflossener Zeit wird wohl ewig bleiben.

Danke Leben, für diese wundervollen Märchen, die du uns erzählst. Wir werden dir lauschen, bis du in Seligkeit in uns verstummst.

Infos

Erstbegehung  „Zauber der Vergänglichkeit“, 640m, WI 5+, M4
Erstbegehung Felix Autor, Timo Moser 19.12.2018 (9,5 h)

Eine äußerst abwechslungsreiche und geniale kombinierte Eisroute auf das Hochbrett (2312 m). Die süd-exponierten Gamsmutterwand bildet den imposanten knapp 550 m hohen Talschluss des Gamsmutterkas im Tennengebirge, welches am Ende des Lammertals liegt. Die Route verläuft entlang der Südwandrampe in der Gamsmutterwand. Vergänglichkeit der Verhältnisse und hochalpines, sportliches Abenteuer im Tennengebirge garantiert.

>Topo

Routenverlauf Die Route verläuft entlang der sogenannten „Südwandrampe“ von A. Precht und H. Neumayer 1975 – in den unteren zwei Dritteln entlang einer Südost ausgerichteten, vereisten Verschneidung. Oberes Drittel ist eine etwas zurückgelehnte schneeig-eisige Schrofen-Rampe.

Seillängen
100 m 50° stapfen, dann 14 Seillängen 640 m mit Schwierigkeiten bis WI 5+, M4
120m 3 SL (SL 1-3) WI 5+ untere Verschneidung an Glasuren und Eisschildern
100 m 1 SL (SL 4) leichtes Schneestapfen
120 m 3 SL (SL 5-7) WI 5+ obere Verschneidung an Glasuren, Graspolster und ein Abschluss-Eisschild
300 m 7 SL (SL 8-14) etwas flacheres, kombiniertes Gelände über eingeschneite Platten und vereistes Schrofen-Gelände sowie Stapfen M4, WI 4+

Absicherung nichts belassen außer einem Abseilstand beim Abstieg, Standplätze immer solide im Fels und oft in Nischen gemacht, Zwischensicherung meist am Fels und teils im Eis gut möglich

Verhältnisse Eis oft dünn aber meist gut, teils abgehobene Glasuren, in den Zustieg-, Mittel- und Ausstiegslängen Schnee (Spindrift bei Neuschnee!), Südseitig exponiert (schnell wechselnde Verhältnisse!), Einstieg ca. auf 1650m, Route braucht davor einige konstant wolkig kalte Tage mit Schneedepots als Wasserlieferant. Zwei Sonnentage davor war bei uns gut für Setzung der Schneeseillängen sicherlich mitttelgut für Glasuren (im Dezember ok – Sonnenstand). Webcam im Skigebiet Werfenweng mit Archiv und Wetter-Datenaufzeichnungen hilfreich zum Abschätzen der Verhältnisse und der Wetterhistorie.

Zustieg mit Ski unschwierig ca. 1,5 h

Abstieg (siehe Foto) unschwierig, aber Schnee- und Orientierungsabhängig bzw. oft > 35° Gelände (Lawinengefahr! Stapfen = große Zusatzbelastung!) in Osthängen zwischen Grieskogel und Augstein, 1x 40m Abseilen an Köpflschlingen, Abstiegszeit bis Depot ca. 1,5-2 h

Material
2x 60m Halbseil
1x Totem Friends #0,5 – #1,8 (7 Stück) möglichweise mittlere Doppelt sinnvoll
2x C3 #000 und #00
2x Metolius Offset Cams 00/0 und 0/1
1x Klemmkeilsatz
1x Schlaghakensortiment jeweils 1x (Knifeblade, Fichtl-, Profil-, Drehmoment-Haken)
2x BD-Pecker
4x 10cm Eisschrauben
3x 13cmEisschrauben
2x Eissanduhrenschrauben + Fädler
+Standard Eis- und Bergausrüstung

Literatur
Tennengebirge AV-Führer von Albert Precht (leider vergriffen)
Topo – „Zauber der Vergänglichkeit“

 

Gallerie

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Eisklettern

Artikel Eisklettern – Salzburger Nachrichten

SN-Schneepulver2017

 

 

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Geführte Klettertour Klettern

Kalymnos Kletterreise

Christoph und mich hat es diesen Herbst auf eine Kletterreise nach Kalymnos verschlagen. Unser Ziel war es, diese super bekannte Kletterregion zu erkunden und für zukünftige Freiluftleben – Klettereisen etwas näher kennen zu lernen bzw. um dann besser planen zu können.

Dabei haben wir mit einer netten Gruppe von Freunden wahnsinnig tolle Klettereien und Gebiete abgefahren und beklettert. Es gibt unglaublich viele Sektoren in unmittelbarer, zu Fuß erreichbaren Nähe vom dem Ort Massouri aus.
Mit dem Moped erreicht man in 10-20 min dann wirklich fast alle Gebiete der Insel und mit knapp 3000 Routen hat man reichlich Auswahl hier. Die Insel Kalymnos ist mit ca. 20 mal 20 km Größe und 12.000 Einwohnern eine sehr kleine Insel im Südosten von Griechenland. Von der Ostseite der Insel sieht man schon das türkische Festland samt türkischem Handyempfang und orientalischem Klima.

Die Landschaft auf Kalymnos ist hauptsächlich von Stein, Sand, niedrigem Strauchwerk und dem fast allgegenwärtigen Meer geprägt. Der beste Ort zum Schlafen und Verweilen für Kletterer ist sicherlich Massouri. Hier schlägt Alles fürs Klettern. Die Infrastruktur ist sehr auf die kletternde Spezie ausgerichtet und so findet man viele Restaurants, Unterkünfte, Klettergeschäfte und Mopedverleihe im Ort. Hier hat fast jede/r, die/den man auf der Straße begegnet, eine E9 Hose an und einen Seilsack umgeschlungen.

 

 

 

In unserer Zeit auf der Insel konnten wir einige wirklich geniale Gebiete mit super Fels, unglaublichen Strukturen und Stalaktiten anfahren.

Hier einige Impressionen von unserer Reise:

Grande Grotta – der Megaklassiker mit steilsten Sinter und Tufazapfen

Dieses Gebiet ist direkt über dem Ort mit einer, wie der Name schon sagt, riesigen Grotte mit unglaublichen Stalaktiten. Hier gibt es Routen wie z.B. die Route Priapos, die durch das gesamte Höhlendach zieht und man ca. 30 m vom Einstieg entfernt wieder unten ankommt.

 

 

Sikati Cave – der Sektor „Out of Space“, ein absolutes Highlight

Diese Höhle bzw. dieser „Einbruch“ im Erdboden ist wahrlich einen Besuch wert, auch für Wanderer und nicht nur für Kletterer. Diese Halb-Höhle hat sich durch eine geologische Verwerfung gebildet und wurde mit riesigen Stalaktiten bestückt. Die Kletterlinien sind der Hammer, die Kulisse sowieso.

 

 

Rina – DWS in der Nähe des verschlafenen Fischerdorfs

Eine super Abwechslung ist das moderate Deep Water Soloing in Rina. Für ca. 10 €/Stunde kann ein Boot geliehen werden und man wird dann direkt zur Felswand gefahren. Man kann hier an einer ca. 12 m hohe Grotte mit ca. 5 Routen klettern bzw. ins Wasser springen. Es gäbe auch ein kleines Gebiet direkt am Wasser, wo mit Seil vom Boot aus geklettert wird.

 

 

 

Galatiani – Klettern im Reich der Stalaktiten

Eines der Gebiete mit etwas längerem Zustieg. Nach ca. 30 min ist man jedoch auch hier unter einer beeindruckenden Grotte angelangt. Es gibt in Galatiani zwar nicht so viele Routen, aber durchwegs einige geniale Linien samt beeindruckender Sinterdecke.

 

 

 

Arginonta und Arhi – Klettern bei Sonne und Meerblick

Diese Gebiete sind  ca. 200 m vom Meer entfernt, haben viele leichte Routen und einen 5 minütigen Zustieg, wodurch diese Sektoren meist sehr gut besucht sind.

 

Secret Garden und Summer Freezer – für die warmen Tage

Eine der nordseitig ausgerichteten Gebiete der Insel. Ideal an warmen Tagen, wenn man der Sonne entfliehen möchte. Der Fels ist nicht ganz so stark versintert und etwas grauer.

Das Moped fahren, das griechisch Essen mit Sonne und Meer ist eine wahrlich gelungene Kombination, die das Klettern hier zwar sicherlich zum „etwas“ touristischen aber absoluten Genusssport macht.

 

 

 

INFOS

www.climbkalymnos.com, eine gute Webseite, die viele gute Informationen für eine Reise zum Klettern nach Kalymnos bereitstellt.

Kletterei

Auf der Insel gibt es momentan 2810 Routen. Die Bilder oben zeigen dir sicherlich schon Einiges über die Qualität der Kletterei und ja, sie ist wirklich fantastisch. Bis 6c ist zwar in den beliebten Gebieten manche Tour schon abgespeckt, in den älteren Gebieten auch bei Routenschwierigkeiten aufwärts, aber im Gesamten nach wie vor super eine super Kletterei überall. Die Absicherung ist durchwegs perfekt und von dem Abständen absolut freundlich, von den verbohrten Materialien wurde nach unserem Gefühl mehrheitlich A4 Stahl verwendet; Wegen der Meeresnähe findet man auch sehr selten, aber doch manchmal auch die ein oder andere Rostgurke.

Die Art der Kletterei reicht von flachen Plattenklettereien bis hin zu horizontaler Sinterschwingerei. Gesamtheitlich auf jeden Fall sehr strukturierter und kletterfreundlicher steiler Fels. Die Längen der Routen sind meist zwischen 30 bis zu 40 Meter also 80 m Seil und 20 Exen ist fast ein MUSS – der Knoten am Seilende auf jeden Fall.

Es gibt auch ein paar Mehrseillängentour z.B. auf Telendos. Die meisten Touren auf Kalymnos, und weshalb ja fast alle Leute auch hierher kommen, sind jedoch gut abgesicherte Einseillängen-Sportkletterrouten.

Kletter-Schwierigkeiten

Die Routen sind durch die Bank sehr entgegenkommend bewertet, aufgrund der Chalkspuren und der Sauberkeit sehr onsightfreundlich. Es gibt Routen von 2-9a, somit sollte für jeden Geschmack etwas zu finden sein.

Anreise

Flug von z.B. :

München Direktflug nach Kos 150€-300€ 2,5 h

Taxitransfer von Flughafen Kos zum Hafen Mastichari 10 min ca. 15 €

Fähre von Mastichari nach Kalymnos/Pothia langsame Fähre 50-40min 6 € schnelle Fähre 20 min (https://www.kalymnos-bookings.gr/pdf/kos-kalymnos-feries.pdf)

Taxitransfer vom Hafen Pothia nach Massouri 15 min ca. 15 €

Unterkünfte

Viele verschiedene, recht nette Unterkünfte um die 15-20 €/Nacht direkt im Ort Massouri. Am Besten einfach im Internet danach suchen.

Mobilität

Mopedverleih vor Ort in Massouri ausreichend vorhanden. In der Hauptsaison vorher reservieren vielleicht sinnvoll. Ca. 12 €/Tag. Eine Tankmöglichkeit gibt es nicht in Massouri, sondern in Panormos.

Mietauto – ist auf der Insel ebenfalls möglich. Am besten vor Reiseantritt reservieren.

Verpflegung – Konsum

Viele nette Beisln und Restaurants. Einige kleine Geschäfte direkt in Massouri. Bei Selbstversorgung ist der Supermarkt in Panormos um Einiges günstiger.

Beste Jahreszeit

Ende März bis Mai – Meer ist noch eher frisch, manche Sinter nass

Ende Sep bis Anfang Nov – Meer ist warm, Temperatur ist perfekt

Oktober ist zusammengefasst der beste Monat hinsichtlich Wind, Temperatur, Meer/Baden, Fluganbindung, die meisten Unterkünfte haben offen etc.

Top 5 Gebiete

Im 3-6 Schwierigkeitsgrad

Summertime

Dolphin Bay

Spartan  Wall

Arginonta

Kastelli

Im 6 Schwierigkeitsgrad aufwärts

Galatiani

Sikati Cave

Grande Grotta – Panorama

Odyssey

Secret Garden

Kategorien
Geführte Klettertour Klettern

Erkundungsfahrt zum Klettern nach Griechenland

Der erste Schnee im November ließ Timo und Felix erstmal kalt und sie setzten sich kurzerhand ins Auto, um gen Süden auf Entdeckungsreise aufzubrechen. Ihr ambitioniertes Ziel: Griechenland, genauer der Peloponnes. Schon seit geraumer Zeit wird in der Szene von fabelhaftem Fels rund um Leonidio und Kyparissi berichtet. Aber auch andere Namen wie Meteora weckten die Neugier der beiden Freunde. Hier ein kleiner Bericht über ihren Kletter-Roadtrip nach Griechenland:

Kletterzeug, Kletterführer, Schlafsack, Kaffeekocher, Bücher, Gitarre und Laptop in Timos Caddy, Kompassnadel Richtung Süden ausgerichtet und schon waren wir auf der Straße. Aufgrund des Schneefalls in Österreichs, des im Süden liegenden Adriatiefs sowie der Tatsache, noch 36 Stunden Zeit bis zur Abfahrt der Fähre von Ancona nach Patras zu haben, beschlossen wir spontan, nach Slowenien in das bekannte Osp zu fahren. Es lohnt wirklich immer, der imposanten Felsarena von Misja Pec einen Besuch abzustatten. So fanden wir trotz des wechselhaften Wetters viel trockenen Fels und stimmten uns auf die steile Kletterei ein, die in der nächsten Zeit auf uns zukommen sollte. Das Motto nämlich: Kein grauer Fels! 😉

 

Weiter gings dann nach Ancona zum Hafen und dann mit der Fähre über die Adria nach Patras. Wir machten es uns gemütlich auf Deck, sinnierten bei frischer Brise in wunderschönen Meeresstimmungen und steckten die Köpfe in unsere Bücher, bis es uns langsam in einen Winkel und in die Schlafsäcke zog. Am nächsten Morgen schifften wir bereits stets an der griechischen Küste entlang, bis wir schließlich gegen Mittag in Patras einliefen.

Wir beschlossen, zunächst ins bergige Hinterland von Patras zu fahren, um dem Klettergebiet bei Alepochori einen Besuch abzustatten. Ein wahrhaftig toller Spot, nicht umsonst im Kletterführer „Greece. Sportclimbing: Best of“ vom griechischen Kletterpionier Arus Theodoropoulos als „one of the best hardcore sport crags in greece“ bezeichnet. Wir jauchzten die Tufas und Stalaktiten hinauf und tüftelten auch die ein oder andere technisch schwierigere Stelle aus, bis die Sonne langsam hinter den Bergen verschwand und die Dunkelheit einbrach. Was für ein erster Eindruck!

Am nächsten Morgen, nach einem ausgedehnten Frühstück und einem Sprung ins erfrischende Nass, fuhren wir auf der gut ausgebauten Autobahn in Richtung Athen. Es lockten uns die Bilder des Klettergartens Mavrosouvala, welcher sich versteckt ca. 40 km im Hinterland von Athen verbirgt. Die Zufahrt mussten wir etwas verkürzen, da der Weg immer schlechter wurde, die Zustiegszeit verlängerte sich aber trotzdem nur um 3 Minuten. Die Kletterei war steil und nicht so einfach, aber durchaus begeisternd. Wir kamen trotzdem zum Schluss, dass wir die etwas „mühsame“ Anfahrt für diesen Fels nicht noch einmal in Kauf nehmen würden. Mit müden Armen steuerten wir das Lenkrad zurück nach Athen und kämpften uns stundenlang durch den Stadtverkehr. Inmitten der Stadt trafen wir uns mit Alikh, einer alten Freundin von Felix. So verbrachten wir gemeinsam einen schönen Abend in Athen, bestaunten die über der Stadt thronende Akropolis mit dem hell erleuchteten Pantheon und schlenderten dort durch die netten Gässchen.

Der herzliche Abschied war spät in der Nacht, und gleich vertrieb es uns wieder aus Athen. Da wir uns das Stadtverkehrdelirium am nächsten Morgen ersparen wollten, kofferten wir die paar Stunden noch weiter bis nach Nafplio.

 

Erst spät am Morgen kamen wir nach dieser langen wachen Nacht aus den Federn. Aber das war auch nicht tragisch, da heute nur Chillen und Baden am Meer angesagt war. Irgendwann bissen uns dann doch die Ameisen in den Hintern und wir spazierten zügig mit ca. 8 km/h die Küste die paar Kilometer an der Küste ins Stadtzentrum und wieder zurück. 😉 Nebenbei verschafften wir uns einen Eindruck von den guten Klettermöglichkeiten dort. Unter Sternenhimmel und Meeresrauschen wurde noch großartig aufgekocht und bei leckerem Wein und Gitarrenmusik der Abend gestaltet.

Nach dem Frühstück am Meer ging die Reise weiter nach Leonidio, dem Dorf, von dem die Kletterszene seit geraumer Zeit so schwärmt. Leonidio wird umrahmt von mächtigen Felsriegeln, die in der Sonne glänzen und unfassbar viel Kletterpotential erahnen lassen. Die meisten Felsen sind südseitig ausgerichtet. Der Kletterspot „Mars“ versprach aber Schatten und ein Paradies aus Sintern, Tufas und Stalaktiten, sodass wir die 20 Minuten Zustieg in Kauf nahmen.

 

Wir realisierten aber schnell, dass hier das Klettern eine sehr hohe Popularität genoss. Die Einsamkeit am Fels war vorbei, aber die Auswahl groß und abwechslungsreich. Aus aller Länder kommen sie zusammen, die Felsfetischisten, aber das ist sowas von verständlich, genau deswegen waren ja auch wir dort: steile Ausdauerhammer, knifflige Wandklettereien, Löcher in allen Größen und Tiefen, kompakter Fels zwischen gelb, rot und grau, das alles wartet nur, bestiegen zu werden, die eindrückliche Kletterei dort lässt Kletterherzen hüpfen. Der Besuch der Twin Caves am folgenden Tag bestätigte diesen Eindruck, einfach zu Recht gerade hip und trendy. Ein paar Wochen hier könnte man getrost ohne Langeweile verbringen. Ein Tipp: Unbedingt eine leckere Pizza und einen griechischen Salat in der Pizzeria „En Leonidio“ essen und die griechische Gastfreundschaft in vollen Zügen genießen!

 

 

 

Eile mit Weile, so rasteten wir erstmal nach 2 Tagen Sinterzwickerei ausgiebig in Fokiano, einer der schönsten Buchten am Peloponnes, bis es anfing zu regnen. Von dort wurde in den letzten Jahren eine Küstenstraße direkt nach Kyparissi gesprengt. Auch wenn das Landschaftsbild dadurch sehr verändert wurde, ist dadurch das kleine Fischerdorf und nebenbei ein weiteres fantastisches Kletter-Eldorado komfortabel zu erreichen.

 

Auch dieses Örtchen ist umrahmt von grandiosen Felsriegeln mit sehr hohem Erschließungsmöglichkeiten für Klettern mit ständigem Blick auf das Meer. Im Sektor Watermill verbrachten wir einen wirklich grandiosen Klettertag. Babala, der „world-class crag for very hard climbing“ schaut einfach nur genial aus und die Sektoren Kastraki und Playground verprechen ebenso Kletterei in den gemäßigten Schwierigkeitsgraden.

Wir kommen wieder, so unser Schluss. So ließen wir uns entspannt von dem etwas unentspannten Wetter weiter südlich treiben, dümpelten durch die kleinen Bergdörfer, schlossen Bekanntschaften mit süßen Hundewelpen, streunenden Katzen und netten Griechen, die uns mit selbstgebackenen Gemüsestrudel und ungenießbaren Wein beschenkten, warteten geduldig, bis Hirten ihre Schafherden über die Straße trieben und zwängten uns durch abenteuerlich angelegten Straßen, bis wir letztendlich in Vlychada landeten. Auch wenn wir die erste Tageshälfte wegen den heftigen Regenfällen im Auto ausharrten, wurden wir ab Mittag von toller Kletterei direkt am Meer in einer einsamen wunderschönen Bucht belohnt. Wahrlich ein Traumspot.

 

 

In der historischen und absolut sehenswerten Stadt Monemvasia ließen wir uns abends noch einmal von Sehenswürdigkeiten und typisch griechischen Köstlichkeiten verwöhnen. Da die starken Regenfälle im Süden anhalten sollten, brachen wir gen Norden auf. Zunächst ging es schleppend, da wir noch in ein heftiges Unwetter gerieten und uns durch die 30 cm Hagelkörner auf der Straße kämpfen mussten. Dann jedoch zügig, sodass wir gegen Mittag am folgenden Tag die Klöster und beeindruckenden Felsformationen in Meteora bestaunen durften. In anmutiger Stimmung ließen wir uns von der einzigartigen Landschaft beeindrucken und den Sonnenuntergang herbeikommen.

 

 

Die Wettervorhersage versprach trockene Verhältnisse für die kommenden Tage. Aber es kommt bekanntlich anders, und zweitens als man denkt, so holten uns am nächsten Morgen die Regentropfen auf dem Autodach aus dem Schlaf. Die Temperaturen lagen bei 10°C, der Fels war in den in der Nähe befindlichen Klettergebieten Mouzaki und Pyli ebenfalls nass, so wurde nur kurz gehadert und lang ins Auto gesetzt, um am nächsten Tag in dem Klettergarten Warmbad bei Villach in vertrauter Wandkletterei auf Leisten und Löchern diese Erkundungsfahrt gebührend abzurunden. Zuhause ist es eben auch schön.

Zusammenfassend war diese Erkundungsfahrt sehr bereichernd, nicht nur hinsichtlich eines Überblicks über das riesige Kletterpotential in Griechenland, sondern durchaus auch, um die eigenen Vorurteile von „den Griechen“ abzubauen und einen kleinen Einblick in ihre Lebenskultur zu bekommen. Egal, wo wir auftauchten, wir wurden stets herzlich, hilfsbereit und mit großem Interesse empfangen. Hinsichtlich des ökologischen Fußabdruck sind die knapp 4000 km mit dem Auto aber durchaus zu hinterfragen und wir müssen umso mehr dankbar dafür sein, dass wir das Privileg haben, eine solche unbeschwerte Zeit erleben zu dürfen! Wie dem auch sei, die traute Zweisamkeit von Timo und Felix eröffnete darüber hinaus ein großes Diskussionspotential und so war ihre gemeinsame Zeit auf jeden Fall höchst persönlich bereichernd und ein gutes Teambuilding.

Wir von Freiluftleben sind begeistert von Griechenland, ihrer Gastfreundlichkeit und herzlich offenen Art und bieten ab 2018 sowohl Klettereisen nach Leonidio-Kyparissi als auch nach Kalymnos an.

Nach über 4000 km „on the road“, hier nochmal eine Übersicht der 13 Etappen.

  1. Salzburg-Osp, ca 370km / 4h [Slowenische Vignette Monat: 30 €, Maut Tunnel: 19 €]
  2. Osp-Ancona, ca. 530km / 6h [Maut Autobahn: ca. 37 €]
  3. Ancona-Patras (Fähre, ca. 850km / 22h) [pro Person 115€]
  4. Patras – Alepochori, ca 40km / 1h
  5. Alepochori-Mavrosouvala-Athen ca. 350km / 4+1h [Maut Autobahn: ca. 20€]
  6. Athen-Nafplio ca. 140km / 2,5h [Maut Autobahn: ca. 7€]
  7. Nafplio-Leonidio ca. 80km, ca. 2h
  8. Leonidio-Kyparissi ca. 60km, ca. 1,5h
  9. Kyparissi-Vlychada ca. 35km, ca. 1h
  10. Vlychada-Monemvasia, ca. 35km, ca. 1h
  11. Monemvasia-Meteora, ca. 650km, ca. 8h
  12. Meteora-Skopje-Belgrad-Zagreb-Ljubljana-Villach ca. 1500km / 16h
  13. Villach-Salzburg ca. 180km / 2,5h

INFOS ZU KLETTEREIEN IN GRIECHENLAND

Kletterführer „Greece. Sport Climbing: The Best of“ (2017) von Aris Theodoropoulos
Kletterführer „Leonidio Climbing Guidebook“ (2016) von Pánjika Cooperative Climbing (erhältlich in ihrem Café direkt in Leonidio)

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Geführte Hochtour Hochtouren

Indien Expedition – Naturfreunde-Alpinkader

Ich durfte vom 30.07-30.8.2017 die vier (Patrick fiel leider verletzungsbedingt aus) motivierten und sehr ambitionierten Bergsteiger*innen Babsi, Michi, Thomas und Lorin bei ihrer Abschlussexpedition des Naturfreunde Alpinkaders begleiten. Nach zwei turbulenten Ausbildungsjahren ist im dritten Alpinkaderjahr jeweils eine große Reise/Expedition gemeinsam geplant.

Das eigentliche Ziel dieser Expedition war die Zanskarregion in Nordindien. Wir wollten die Region bzw. die Berge westlich vom Poat La Pass erkunden, doch wie kann es im Leben bzw. vor allem in Indien sein… es kam natürlich anders.

Um dem gebetsmühlenartigen, ewig wiedergebärenden rezitieren von Zustieg, Tour, Gipfel, Juhu und Abstieg etwas zu entkommen, werde ich mich auf die „Sidestorys“  dieser tollen Reise konzentrieren und die Tourenfakten unten am Bericht kurz zusammenfassen. Des Weiteren gibt es einen tourentechnisch ausführlicheren Bericht unter Naturfreunde Alpinkader, die Bilder zu den Touren sprechen dann ohnedies mehr als ich im Stande bin, zu schreiben.

So eine Expedition beginnt und besteht zu einem großen Teil immer schon ein Jahr davor mit Vorbereitungen, somit begann auch diese Geschichte mal mit: Wo hin? Was tun? Recherchieren, Email hin, Email her! Zusammensitzen! …bis das „Ding“ steht.

Im Februar, 6 Monate vor dem Abflug, wurde mir erstmals bewusst, wie anfällig und wie viele Komponenten mitspielen müssen, dass wir in Indien, 7000 km westlich von Europa entfernt, zu sechst auf einem Gipfel stehen können. Besonders klar wurde es mir, als mich Patrick anrief (der fünfte im Alpinkader Bunde) und mir mitteilte, dass er gerade mit einem gebrochenen Unterschenkel und samt 400 g Eisen bestückt im Krankenhaus liegt… Uff. Knapp ein halbes Jahr vor der Expedition mit so einer schweren Verletzung laborieren lies jeden, besonders die Ärzte skeptisch sein, ob Patrick mitfliegen bzw. die größere Herausforderung, mitgehen kann.

Würde man solch eine Expedition als Uhrwerk abbilden, besteht die Funktion dieses Werks aus vielen Rädchen und Federn. Die Gesundheit ist wohl ein sehr zentrales und großes Rad in diesem Zahnradwerk. Das besondere bzw. herausfordernde bei Expedition ist jedoch, dass selbst ein kleines unbedeutendes Rad jedes weitere zum Stillstand bringt. Eine kurze Auflistung möglicher und eingetroffener Zahnrädchen dienen als Gedankenstütze, bitte um geistige Ausmalung, was dies jeweils konkret bedeutet: Freiheitsstrafen Satphone-Mitnahme, Fluggepäck verloren, Reizdarm, Wetter, Psyche, Gruppenstimmung, Flussüberqueren, Materialverlust, Seilschaden, Organisation (Fahrer, Träger, Bürokratie,..), Tourentaktik und unerdenklich mehr Möglichkeiten des Uhrwerkstillstandes.

Patrick musste verletzungsbedingt schlussendlich wirklich daheim bleiben…alles Gute dir bei der „Zahnradheilung“!

Wir starteten unsere Reise also schon mal mit viel Dankbarkeit, dass wir gesund in den Flieger steigen konnten.

Reisen im Allgemeinen und Reisen nach Indien im Besonderen bieten einem Gelegenheit, seine eigene Welt- und Lebenseinstellungen zu relativieren. In Indien relativiert sich so einiges, nicht nur der Begriff Zeit, sondern auch Sauberkeit, Stress, Normen, Sicherheit und und und bekommen neue Dimensionen.

Zusammengefasst kann man sagen „Normal ist relativ“, Richtig ist subjektiv und Falsch zu vereinfacht.

Den Standpunkt zu verlassen, die Dinge mit Richtig oder Falsch bewerten zu müssen, ist für solch Reisen und genauso im alltäglichen Leben bereichernd. Zuschauer zu sein, der ohne Wertung dem Schauspiel des Lebens folgt und vielleicht mit Verwunderung, aber steht’s mit wohlwollender „Anerkennung was ist“ feststellt ahh; Taxis kommen 1 h zu spät oder auch gar nicht, auf der Straße werden 1 m tiefe Schächte nicht abgesperrt offen gelassen, Äpfel werden dir als Birnen verkauft, die europäische Nein-Kopfbewegung gilt als Ja, Autoreifen werden auf -1 mm Profil runtergefahren, 1 Kb/s ist Highspeed-Internet,… .

Nach dem Flug München-Dehli + Dehli-Leh gings per Bus 2 Tage von Leh-Kargil (6 h) und von Kargil-Padum (12 h) weiter.

Da sich unser bzw. mein Kopf meist Beschäftigung sucht, ich keinen Mp3-Player zur Hand hatte und bei der Schotterpistenfahrt beim Lesen immer die Zeile verlor, begann ich mir die lustigen Verkehrserziehungssprüche am Straßenrand zu merken und sinnierte über Straßen-Lebensmetaphern.

Auszug witziger Verkehrserziehungs-Sprüche neben der Straße:

„Drinking wiskey, driving risky“

„It’s no ralley enjoy the valley“

„Better Mr. Late then late Mr“

„Don’t be silly it is hilly“

„Don’t hurry don’t worry“

„Speed thrills but kills“

“Drive with care makes accidents rare”

“Safety First, Speed Afterwards“

”Life is short, don’t make it shorter”

“Live for today, drive for tomorrow”


Ein Straßenabschnitt von Kargil nach Padum – für die 230 km benötigt man ca. 12 h Fahrzeit! 

Meine weiters entstandenen Straßenlebensmethapern bezogen sich auf zweierlei: Ver- und Absicherungspolitik unserer Zeit sowie die unterschiedlichen Fähigkeiten jede einzelne Situation des Lebens zu bewältigen.

Erste Methaper | Die Straßen in Ladakh sind… mit viel Liebe und im Prinzip Hoffnung in den Hang gegrabene 5 m breite Streifen. Keine Betonanker, keine Stahlnetze, keine Leitplanken und keine Tunnels sichern die Straße vor Hangrutsche bzw. Steinschlag. Darauf wurde natürlich primär aus monetären Gründen verzichtet, aber zu einem gewissen Teil, wie ich meine, auch aus lebensphilosophischer Sicht, sich nicht auf die präventive Taktik, sondern auf die reaktive Taktik zu konzentrieren. Betrachtet man eine europäische Straße, so erkennt man das hier „reine“ planerische und präventive Taktik vorherrscht. Die Sicht, was kann alles wo passieren und wie können wir dies alles verhindern. Mit viel Aufwand und Angst rüsten wir uns vor allem Möglichen und Unmöglichen. Statt zuerst zu schauen, was und ob überhaupt was kommt und dann erst zu reagieren, sind wir im Kopf im Leben oft in der totalen Assoziationskette. Sicherlich auch eine große Qualität, antizipieren und vorausschauend agieren zu können, wäre da nicht die Unschärfe des Vorausschauens und des Konjunktives. Da wenige dem Hellsehen mächtig sind, ist dieses Vorausschauen eine reine Vermutung und oft verfehlt. Würde man im Leben wie auf der Straße von Leh nach Padum nur z.B. den einen runtergefallenen Stein wieder zur Seite räumen und nach einem starken Regen das ausgespülte Bachbett wieder auffüllen, wäre man sehr präzise an den Stellen, wo Handlung wirklich nötig ist. So gesehen würde man in eine entspannte reaktive Position treten anstatt nervös sich vor allem erdenklich Möglichen schützen zu müssen. Man würde dem Reaktiven Akzeptanz geben und es nicht als „Fehler“ sehen, wenn etwas passiert und man agieren muss, sondern als Bestandteil des Lebens, für den man, wenn er eintritt, eine Lösung finden wird und nicht präventiv auf Verdacht lauter Lösungen im Vorhinein sucht. Ich stellte mir die grundsätzliche Frage, ob ich mich gegen „das Leben“ absichern, mich präventiv schützen kann?

…weitere Gedanken…

Zweite Methaper | Als ich die Leute, hauptsächlich niedrigst entlohnte Arbeitskräfte aus Südindien, am Straßenrand mit primitivsten Mittel vielleicht 100 m weiter als vor 10 Jahren arbeiten sah, kam mir neben dem Gedanken, dass die Leute wirklich hart und unglaubliche Arbeit leisten, ein weiterer Gedanke: Diese Leute graben z.B. Kilometer lange Kabelschächte am Straßenrand mit Sparten und Zugschnur und das Monate, wenn nicht jahrelang. Klar, ein Bagger würde die Arbeit vielleicht in 2 Wochen machen, aber finanziell teurer und wenn Zeit keine oder eine viel geringer Rolle spielt, ist die Spartenvariante der klare Favorit. Als ich also zwei Inder beim Graben beobachtete, der eine schaufelte, der andere zog an einem Seil, welches am Sparten befestigt war, wodurch das Schaufelplatt aus dem Graben gehoben wurde, kamen mir weitere Gedanken.

Agieren wir im Leben in vielen Situationen rückblickend oder von außen betrachtet nicht ebenfalls oft mit viel Mühe und viel Anstrengung, jedoch im Vergleich mit den Möglichkeiten „nur“ mit unseren limitierten und teils begrenzten „geistig-emotionalen-Fähigkeiten“. Sind wir in Konflikten nicht oft gefangen in unserer bescheidenen Spartentechnik, die Konfliktthemen, wenn überhaupt, dann nur in Schabetechnik abträgt, anstatt sie mit dem Bagger ratz fatz weg zu schaufeln. Klar, das ist wohlwollend zur Kenntnis zu nehmen, denn wo auch baggern, wenn nur der Sparten zur Hand ist.

Meine Leh-Padum Conclusio:
Bearbeite Dinge, wenn sie relevant werden und bediene dich deiner eigenen, begrenzten Möglichkeiten dies zu tun. Glaube weniger daran alles präventiv planen und absichern zu können als vielmehr an deine Fähigkeit flexibel und beweglich an Lebenssituationen herantreten zu können. Akzeptiere das Tempo und die Technik mit welcher du an Dinge herangehst. Bagger kann man in Wirklichkeit kaufen, metaphorisch gesehen kannst du sie jedoch nur in Liebe zu dir selbst erarbeiten und innerlich entwickeln.
Es entstand während dieser Überlegungen auch der meiner Meinung nach recht passende Spruch und Titel des Berichts: Akzeptanz der eigenen Begrenztheit.

In Padum angekommen, bekamen wir ein Lernfeld der besonderen Art. Wir durften unsere Fähigkeit, gesetzte Ziele und Pläne flexibel über den Haufen werfen zu können, anwenden. Nach 2 Tagen sehr frustrierender und desillusionierender Performance der Träger erkannten wir, dass es erstens zu wenig Träger für die Menge an Gepäck waren und zweitens diese Träger technisch/motivatorisch nicht in der Lage waren, unser Material 3 Tagesetappen lang und über einen 5400 m hohen Pass tragen konnten… wir mussten also umplanen.

Ich wiederhole, Akzeptanz der eigenen Begrenztheit. Didl dadl dum, alles wieder anders rum. Da wir neben dem geistigen Schwadronieren – wie oben dargeboten – bei der Autofahrt auch einige Zeit hatten, aus dem Fenster zu blicken, wussten wir auf Anhieb zwei Plätze am „Straßenrand“, die tolle Ziele boten und als Alternativziel taugten.

Wir peilten also diese zwei Orte an und hatten extrem kurz gefasst tolle Bergabenteuer und eine wundervolle Zeit mit unseren drei Unterstützern Jagdish (Koch), Jeewan (the Brain) und Dharam (der Übersetzer und Chiller).

Basecamp Sani

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Geführte Skitour Skitouren

Haute Route – Von Chamonix nach Zermatt

08.-14.04.2017, Frankreich/Schweiz: Julia, Evi, Anita und Almut verbrachten mit unserem Bergführer Dominik und mir bei perfekten Wetter- und Schneebedingungen unvergessliche Tage auf den Bergen zwischen Chamonix und Zermatt. Hier nun ein Freiluftleben-Bericht mit detaillierten Zusatzinformationen über diese berühmte Skitourendurchquerung, geführt von einem erfahrenen Guide von Freiluftleben:

Tag 1, Anreise: Nach langer Anreise treffen wir uns zum Abendessen im Hotel Fleur de Neige, eine einfache und preiswerte Unterkunft in Chamonix. Nach entspannten Anschnuppern bei Speis und Trank, bei dem schon ein wenig voneinander erzählt wird, gleiten wir übergangslos über in den ersten offiziellen Programmpunkt, die Tourenbesprechung. Dominik gibt einen kleinen Vorgeschmack in das, was uns auf der Haute Route erwarten wird und was wir dafür alles benötigen. Die Ausrüstungsliste ist lang und alles muss Platz im Rucksack finden. Ski + Stöcke, Felle, Skitourenschuhe, LVS, Klettergurt, Schmuck (wie z.B. eine Eisschraube, eine Bandschlinge und paar Karabiner) sowie das Gewand können natürlich an den Körper, aber verstaut werden muss Pickel, Steigeisen, Schaufel, Sonde, Hüttenschlafsack, Hardshell, Getränke + Jause, Fotoapparat, Erste Hilfe… und dann auch noch all die Dinge des persönlichen Bedarfs 😉 Man(n) und Frau übe sich im Verzicht. Wir gehen in unsere Jurte und rascheln so lange mit unserem Material, bis ein Platz dafür gefunden wird. Nach einem gemütlichen Feierabend-Getränk in „dem“ Szene-Treff in Chamonix direkt um die Ecke, in der „MBC-Microbrasserie„, kuscheln wir uns mit großer Vorfreude auf den nächsten Morgen in die warmen Decken und schließen unsere Augen für spannendes Kopfkino.

  • Auberge Fleur de Neige: 850 Route du Bouchet, F-74400 Chamonix-Mont-Blanc, Tel: +33 450 55 83 31 Email: ? / Übernachtung in origineller Jurte (Schlafzelt für 6 Personen) + Frühstück ca. 35 € / Person, Parkplätze kostenlos vor dem Haus


Tag 2: Aufstieg 1100 Hm, Abfahrt 1800 Hm, ca. 18 km:
Um 6.30 Uhr klingelt der Wecker, um 7.00 Uhr gibt’s Frühstück, um 7.45 Uhr sitzen wir auch schon im Auto nach Argentière. Das Wetter ist formidable! Nach letztem Materialcheck fahren wir zunächst mit der Seilbahn „Plan Joran“ und dann nach kurzer Skiabfahrt an die Mittelstation zum Aiguille des Grand Montets auf 3275 m hinauf, die Aussicht auf den Mont Blanc (4810 m) und auf das knapp 4 km tiefer liegende Chamonix ist umwerfend. Nun geht’s in steiler Abfahrt über den Glacier des Rognons hinab zum Glacier d’Argentière, der umrahmt von namhaften Gipfeln wie die Aiguille Verte (4121m), Les Droites (4000 m) oder der im Talschluss markante Mont Dolent (3823 m) ist. Mit dieser beeindruckenden Kulisse im Rücken steigen wir ostseitig zunächst mit Steigeisen, dann mit Ski zum Col du Chardonnet (3323 m) auf. An dieser Engstelle, wo ca. 80 m durch ein ca. 60° steiles Couloir in die Schweiz abgeseilt werden muss, stauen sich die Menschen aufeinander und es spielen sich Dramen ab, weil viele mit dieser ersten Schlüsselstelle sichtlich überfordert sind. Unser Bergführer Dominik teilt sich mit einem französischen Bergführer das Seil und seilt uns geschwind in einem Zug an dem Chaos im Couloir vorbei. Nach kurzer Rast in wärmender Sonne und Abfahrt geht es im vergletscherten Gelände weiter zum Fenêtre de Saleina (3261m), wo wir zunächst seilgesichert die Randspalte überwinden und dann ca. 100 Hm mit Steigeisen und Pickel aufsteigen müssen, um auf den weiten Glacier du Trient blicken zu dürfen.

In imposanter Gletscherszenerie fahren wir auf diesen an gewaltigen Seracs vorbei zum Aufstieg auf den Col des Escandies (2793 m), wo bei leichter Kletterei über brüchige Felsen und weichem Schnee wieder für ca. 100 m die Steigeisen, Pickel und Seil zum Einsatz kommen. Die lange Abfahrt in das Val d’Arpette ist das Sahnehäubchen für diesen abwechslungsreichen und fordernden Tag. An der Talstation des Sessellifts „La Breya“ in Champex-Lac (1486 m) wartet auch schon das reservierte Taxi auf uns, welches uns nach Bourg St. Pierre (1630 m) in das „Bivouac Napoléon“ bringt. Dort beziehen wir unser eigenes „Haus“, genießen eine letzte warme Dusche und belohnen uns dann à la carte für den langen ersten Tag.

  • Seilbahn „Grand Montets“: Auffahrt 25 € pro Person (ticket alpiniste), Autos können mehrere Tage kostenlos auf dem Parkplatz stehen gelassen werden.
  • Taxi von Champex-Lac nach Bourg St. Pierre: Jean-Claude Mathieu, Tel: +41 27 783 15 64 bzw. +41 79 217 08 27, mathieu.j.c@gmail.com,  ca. 140 € Gesamt.
    Es gibt auch Busverbindungen!
  • Hôtel Bivouac Napoléon: Famille Villettaz-Moret, CH-1946 Bourg-Saint-Pierre, Tel: +41 27 287 11 62 bzw. +41 27 287 12 42, bivouac.napoleon@st-bernard.chwww.bivouac.ch, Übernachtung in Zwei-Bett-Zimmer in großzügigen Räumlichkeiten in separatem Haus, Übernachtung ca. 25 CHF pro Person, exkl. Abendessen, Take-away-Frühstück

 

Tag 3: Aufstieg 1400 Hm, ca. 8 km: Heute steht uns ein langer Hüttenzustieg bevor. Wir wachen früh auf; nach einem einfachen Frühstück schnallen wir unsere Ski an die Rucksäcke und gehen in der Morgendämmerung erst durch die Straßen von Bourg-Saint-Pierre, dann auf Pfaden ins Val de Valsorey mit beeindruckenden Aussichten auf die Flanken und Abbrüchen der umliegenden Berge (Anmerkung: Bestaunen kann man z.B. die steile Nordflanke des Grand Crand Combin de Valsorey (4184 m), welche von Jérémie Heitz („La Liste„) mit den Ski befahren wurde!). Mit dem Drüberblinzeln der Sonne häufen sich die Schneefelder und auch die  Hangneigungen, so steigen wir taleinwärts mit den Ski weiter eher tief-haltend und links-querend auf die steile Gletschermoräne, wo orographisch rechts das Cabane du Vélan (2642 m) und links auch schon unser Etappenziel, das Cabane de Valsorey (3030 m), auf uns hinunterschauen. Mit der bizarren Gletscherszenerie des Mont Vélan (3731 m) im Rücken meistern wir noch die steilen Passagen im letzten Südwesthang vor der Hütte, die wie ein Adlerhorst auf einem Felsabsturz thront. Schon sehr früh am Nachmittag können wir uns in die Sonne legen und die grandiose Aussicht genießen. Im Laufe des Nachmittags werden einige neue Bekanntschaften gemacht, die wir auch in den nächsten Tagen begegnen werden. Zum Beispiel köstlich amüsant ist das Zusammentreffen mit zwei Salzburgern, die zunächst auf die Vélanhütte gestiegen sind, sich dort in die Sonne flackten, bis bei einem „Wos isn des eigentlich fia a Hittn do obn?“ realisiert wurde, dass man sich im Berg geirrt hatte. Die dann doch noch anstehenden 700 Höhenmeter wurden von ihnen mit Humor getragen ;). Die sympathische Bewirtung dieser kleinen urigen Hütte von Isabelle und ihrer Gehilfin rundet den Tag auch kulinarisch-entzückend und persönlich-herzlich ab, wir drücken unser Danke gerne mit dem Mithelfen beim Geschirrabtrocknen aus.


Tag 4: Aufstieg 1100 Hm, Abfahrt 1500 Hm, ca. 12 km:
 Nach gemütlichem Frühstück und kurzem Zustieg mit den Tourenski stehen wir vor der „Schlüsselstelle“ der Haute Route, der bis zu 45° steilen Südwestflanke auf das Plateau du Couloir (3660 m), auf dessen Schneid das Bivouac Biagio Musso sitzt. Die Ski wandern also an den Rucksack, die Steigeisen an die Schuhe und der Pickel in die Hand. Unser Bergführer führt uns mit guter Umsicht in guter Spur durch dieses steile, teils felsdurchsetzte Gelände. Oben angekommen weiten sich die Ausblicke enorm und die Freude groß.

Nach kurzer Skiabfahrt in den Grund des Glacier du Sonadon, nach abermaligen Aufstieg durch das Col du Sonadon (3504 m) und südlich querend auf der Grenze zwischen der Schweiz und Italien stehen wir bald nach kurzer leichter Gratkletterei auf unseren ersten Gipfel, den Grande Tête de By (3587m). Von dort blicken wir erhaben zurück zum Grand Combin mit seiner markanten Südflanke, dem face sud, lassen unsere Blicke schweifen zum Mont Blanc-Massiv, wo markant durch die Wolkenfetzen die hohen Wände der Grandes Jorasses durchblitzen, über den zerklüfteten Gletscher des Mont Vélan und den dahinterliegenden Grajischen Alpen mit ihrer höchsten Erhebung, den Gran Paradiso weiter zu den hohen Gipfeln der Monte Rosa und über die Walliser Alpenwelt zu unserem Ziel, dem Matterhorn, welches wir nun das erste Mal erspähen können. Wir finden feinsten gesetzten Pulverschnee in den Nordhängen des Grande Tête de By und fahren auf seifigen Firn jauchzend über den Glacier du Mont Durand und, kurz unterbrochen durch einen kurzen Aufstieg auf den Südostrücken des Mont Avril, weiter in den Kessel der Charmotane (2236 m). Den letzten Gegenanstieg über 250 Höhenmeter nutzen wir, diesen höchst abwechslungsreichen Tag bei guter Laune nach zu sinnieren und schon bald erreichen wir das idyllisch gelegene Cabane de Chanrion (2462 m). Dort ist dann erstmal stundenlanges Chillen bei sommerlichen Temperaturen und strahlendem Sonnenschein angesagt, das wohlverdiente Getränk und frisch gebackener Kuchen schmeckt in einer Umrahmung von formschönen Gipfeln wie Mont Avril (3347 m) oder Bec d’Epicoune (3531 m) ganz besonders lecker. Irgendwann treiben einen dann die kalten Schatten des Grand Combin in die warme Stube, wo bei Speis und Trank mit bekannten Gesichtern ein geselliger Abend verbracht wird, währenddessen draußen der Vollmond die Bergszenerie immer mehr in ein leuchtendes mystisches Licht taucht.


Tag 5: Aufstieg 1400 Hm, Abfahrt 700 Hm, ca. 11 km:
 Da die Morgenroutine so gut läuft, starten wir schon völlig entspannt zum Grund des Glacier du Brenay, nur die Moränen erinnern noch an seine ursprüngliche Mächtigkeit. Im fließenden Übergang auf die Gletscherflächen biegen wir nach links auf den Glacier de la Serpentine ab (Anmerkung: Der Weg durch den Gletscherbruch des Brenaygletscher kann nicht mehr empfohlen werden!). Auf diesen geht es vorbei an Gletscherbrüchen und endlos dahinziehenden Gletscherflächen über den Col de la Serpentine (3542 m) und vorbei am Col du Brenay (3633 m) direkt mit den Ski auf den höchsten Punkt der Haute Route, den Pigne d’Arolla (3790 m). Die Aussicht von dort in die Weiten des Gipfelmeeres ist äußerst beglückend, der landschaftliche Reiz ist überragend.

Auch die anschließende Abfahrt zum Cabane des Vignettes (3160 m) lässt unsere Herzen höher schlagen. Die Vignetteshütte liegt gewagt gebaut an den steilen Felsabbrüchen in das Couloir du Pissoir, welches uns ungläubigerweise sehr jungfräulich präsentiert. Ein Blick zwischen Dominik und mir genügt, und schon schnallen wir uns nochmal die Ski an, um die perfekten Schneeverhältnisse im Couloir zu nutzen und unsere Spuren dort hinein zu zeichnen. Die 500 Hm zurück ist es allemal wert 😉 In höchster Befriedigung trotzen wir den latenten Pissoir-Geruch um der teilweise neu renovierten Hütte und lassen uns die Abendsonne ins Gesicht scheinen und danach mit kulinarischen Köstlichkeiten der Hütte verwöhnen. Zur Nachspeise gibt es sogar ein Éclair mit Kaffeecrème, einfach nur unglaublich, dieser Luxus hoch oben auf den Bergen. Die voll besetzte Hütte bestätigt die große Nachfrage nach dem Bergkonsum, wir sind da mittendrin, jammern nicht und sind einfach dankbar für den Komfort, für dessen Ermöglichung ein irrer logistischer Aufwand betrieben wird. Chapeau!


Tag 6: Aufstieg 1300 Hm, Abfahrt 2700 Hm, ca. 31 km:
Frühstück gibt’s um halb 6, wir sind alle topmotiviert für die letzte Etappe der Haute Route. Nach einer kurzen Skiabfahrt auf die weiten Gletscherflächen am Col de Charmotane (3040 m) reihen wir uns gemütlich in die Kolonnen ein, die Richtung Col de l’Evêque (3382 m) ziehen. Der Berg ist groß, die Menschen verteilen sich gut. Wir trotzen dem stürmischen Wind auf der Scharte und genießen lieber die Schwünge auf den den Hängen zum Haute Glacier d’Arolla (ca. 2900 m), wo wir weiter zunächst sanft auf den Ski, dann aber wieder sehr steil mit Steigeisen und Pickel zum Col du Mont Brulé (3213 m) aufsteigen. Dort bietet sich neben einer überwältigende Ansicht der weiten südostseitigen Gletscher des Dent d’Herens der Blick auf die letzten Aufstiegsmeter, die sich doch noch ein wenig ziehen, bei wechselnder gleisender Sonne und beißendem Wind. Überglücklich können wir uns umarmen am Col de Valpellin (3557 m), wo uns die visuellen Eindrücke des markanten Matterhorn – Monte Cervino – Mont Cervin (4478 m) und die bedrohlichen nordseitigen Hängegletscher und Seracs des Dent d’Herens (4174 m) erschlagen.

Zwischen Euphorie und Demut lassen wir unsere Skispitzen wieder in Richtung Tal blicken, auf dem Stockji-Gletscher versüßt unser Bergführer Dominik noch mit dem tollen südseitigen Firnhang des Stockji (3092 m) auf den Tiefmatten-Gletscher das ohnehin schon grandiose Abfahrtserlebnis in dieser anmutigen Kulisse. Langsam und besinnlich gleiten wir auf dem Zmutt-Gletscher in Richtung Zermatt und realisieren in der Kulisse alpiner Berühmtheiten wie der schwarzen Nordwand des Matterhorns oder der Südwand des Obergabelhorn (4063 m) die Tatsache, dass diese Tage mit diesen traumhaften Bedingungen wahres Glück bedeuteten und sich unvergessen in unseren Erlebnisschatz einnisten werden. Auch wenn man sich fast ein bisschen außerirdisch vorkommt, wenn man sich wieder in ein Skigebiet begibt, lassen wir im Restaurant „Stafelalp“ (2200 m) superglücklich und auch ein wenig stolz die Gläser zum Klingen bringen. Pröschtli!
Der Schnee der Piste reicht noch bis nach Zermatt (1600 m), dort wartet schon das Taxi, dass uns nach Herbriggen (1250 m) ins Hotel Bergfreund bringt, wo wir bald mit einer warmen Dusche den feierlichen Abend mit allerlei Köstlichkeiten einläuten und dann noch einmal diese unglaubliche Woche Revue passieren.

  • Hotel Bergfreund: Familie Remo Almendinger, Dorfstrasse 93, CH-3927 Herbriggen, +41 27 955 23 23, info@hotel-bergfreund.ch, hotel-bergfreund.ch – Hoteltaxi zurück nach Argentière
  • Alternative Zug: von Zermatt nach Martigny via Visp 63 CHF, von Martigny nach Argentière 28 CHF


Tag 7, Ausklang:
Nach einem ausgiebigen Frühstück im Hotel Bergfreund bei Rosie, die „Mama“ aller Bergführer*innen, verabschieden wir uns herzlich aus dem Mattertal und lassen uns entspannt mit dem Hoteltaxi zurück nach Chamonix bringen. Der Tag ist noch lang, das Wetter perfekt, so entscheiden Evi, Almut, Anita und Julia, noch mit der Seilbahn auf die Aiguille du Midi rauf zu fahren, um mit der Befahrung des Vallée Blanche noch ein weiteres Highlight mitzunehmen. Ich habe genug von Schnee und widme mich lieber dem steilen Fels. Mit Freunden gehe ich nach Saint-Gervais in das Klettergebiet Bionnassay. Einen feucht-fröhlicher Abschluss findet diese ereignisreichen Woche am Abend in den Bars und Pubs von Chamonix..

Hier gehts zu unserem Programm Haute Route – Von Chamonix nach Zermatt

INFOS

Charakteristik und Schwierigkeiten: 5 Tage / Aufstieg ~6300 Hm / Abfahrt ~6200 Hm / ~88 km

Unsere Bergführer*innen führen die Haute Route von Chamonix bzw. Argentière nach Zermatt im Idealfall in der alpinen Variante über das Plateau du Couloir und den Gipfeln Grande Tête de By und Pigne d’Arolla. Diese Variante ist eine anspruchsvolle Skihochtour im hochalpinen Gelände, bei der eine gute Kondition sowie das sichere Befahren von Steilhängen bis 35° auf spaltenreichen Gletschern bei allen Schneeverhältnissen obligat ist. Erfahrung im Umgang mit Steigeisen und Pickel sind wünschenswert, das seiltechnische Know-How bringt ein*e Bergführer*in mit. Die Wegfindung ist bei entsprechender Tourenplanung und Wetterverhältnissen relativ einfach – bei Schlechtwetter kann es naturgemäß zu Orientierungsproblemen kommen, v.a. auf den weiten Gletschern! Varianten sind denkbar, aber nur eingeschränkt möglich. Es wird darauf hingewiesen, dass dieser Erfahrungsbericht diese Skiroute bei optimalsten Wetterverhältnissen und Schneebedingungen zeigt.

Übernachtung – Verpflegung – Konsum

Übernachtung in Lagern und Halbpension auf den Hütten kostet zwischen 60 und 70 CHF, inkludiert ist ein einfaches Frühstück (Brot, Müsli + Kaffee/Tee) und ein 3-Gänge-Abendessen (Suppe – Hauptspeiße – Nachspeise) exklusiv Getränke! Marschtee/Mineralwasser 1,5l kostet ~10 CHF, ein Bier 0,5l zwischen ~7,50 CHF. Wenn man Teebeutel mitnimmt, bekommt man 1l heißes Wasser für ~4 CHF.
Bei enthaltsamen Konsumverhalten (z.B. eben nur 1-2 Bier täglich auf der Hütte 😉 muss für die Haute Route (mit Transfers/Seilbahnkosten, exkl. Anreise) mindestens um die 500 € Spesen einkalkuliert werden, geht aber leicht auch doppelt so viel. Wer Platz im Rucksack findet; die Mitnahme von einem Laib Brot, ein gutes Stück Käse, eine Tafel Schokolade und genügend Müsliriegel helfen dabei, paar Tage die lustvollen Bedürfnisse am Nachmittag zu zähmen 😉

Danke, Dominik, für die Inspirationen!

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Hochtouren Hochtourenkurs

Hochtourenkurs Basis für Anfänger

Einen super Einstieg ins Hochtouren gehen fanden letztes Wochenende sechs motivierte Teilnehmer*innen bei unserem Bergsteigerkurs für Anfänger auf der Warnsdofer Hütte im Pinzgau (Salzburg) mit Christoph als Bergführer. Nach der Materialkontrolle und dem Austeilen der, kostenlos von uns zur Verfügung gestellten, Leihausrüstung ging es mit dem Hüttentaxi durchs Krimmler-Achental bis zur Materialseilbahn ganz hinten im Talschluss des Krimmler Achentals.

Nach einem gemütlichen Hüttenzustieg wurden im nahegelegenen Klettergarten erste Dinge geübt, das Material besprochen sowie der Kursablauf für die nächsten Tage durchgegangen.

Am darauffolgenden Tag gings gleich ins Eis und es wurde das Gehen mit Steigeisen, die richtige Anwendung des Pickels sowie der Standplatzbau im Eis mit Eisschrauben und mittels Eissanduhr geübt.

 

Neben dem Sicherungstechnischen wurde auch das Gehen mit Steigeisen in der Frontalzackentechnik und der Allzackentechnik in einem Parcour geübt.

Dem Spaltensturz, als DIE Gefahr im vergletschertem Gelände, wurde besonders viel Übungszeit eingeräumt. Nicht nur das eigenständige Hinausprusiken aus der Spalte mittels Reepschnüren bzw. der Münchhausentechnik wurde geübt, sondern auch die lose Seilrolle, bei welcher man den/die Seilpartner*in aus der Gletscherspalte ziehen kann.

Auch das Sichern und Gehen im Firn (harten Schnee) wurde ausführlich besprochen und angewendet. Das Bremsen im Firn wurde genauso geübt wie das Sichern mit Pickel mittels T-Anker. Somit wurden die Teilnehmer*innen auf Geländeformen von Fels, Eis und Schnee perfekt vorbereitet und eingeschult, um sicher in diesem Gelände unterwegs zu sein.

Bei einer gemütlichen Anfängertour über kompakte Gletscherschliffplatten beim nahegelegenen Eissee konnte der Seilschaftsablauf und die Klettertechnik im Fels wunderbar geübt werden.

Am letzten Kurstag konnte als abrundender Programmpunkt bei traumhaftem Wetter der Hohe Geiger über den wundervollen Gletscher bestiegen werden. Gratuliere euch!

Nach dem kurzen Hüttenabstieg gings zwar geschlaucht, aber zufrieden mit dem Hüttentaxi rüttelnd wieder hinaus aus dem Krimmler Achental.

Wir wünschen allen Teilnehmer*innen viel Spaß bei ihren zukünftigen eigenständigen Hochtouren und Bergtouren über vergletschertes Gelände.

Weitere Kurse zu diesem Thema
Eiskletterkurs Basis
Sicherheitstag Fels
Alpinkletterkurs² – mobile Sicherungsmittel

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Kletterkurs Klettern

Klettern mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen

Seit 2015 treffen wir uns in unregelmäßigen Abständen mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen zum Klettern. Die Volkshochschule Salzburg war Initiator und Förderer eines Projektes, bei dem wir einige Bouldersessions für Jungs, die in den vom Verein Menschenleben betreuten WGs wohnen, durchführen konnten. Das Universitätssport-Institut (USI) ermöglichte eine kostenlose Teilnahme für die jungen Asylbewerber*innen an einem von uns geleiteten Kletterkurs. Auch bei ehrenamtlichen Aktionen und von uns organisierten Klettertagen verbrachten wir bisher einige gemeinsame Zeit bei entspannt-lustigen Klettereien.

Weitere Möglichkeiten für Outdooraktivitäten stellen wir uns gerne vor und bieten uns dafür gerne als Veranstalter zu fairen Preisen an. Wir möchten ein für die Zielgruppe kostenloses und freiwilliges Freizeitangebot schaffen, welches ihnen einerseits einen sportlichen Einblick in die Welt des Kletterns gewährt und andererseits als Möglichkeit dienen soll, um ihren Alltag anders zu gestalten, ein geselliges Miteinander und auch der Kontakt zu anderen Menschen zu ermöglichen. Der Spaß steht dabei im Vordergrund. Unsere Anliegen:

  • Bouldern und Seilklettern mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen
  • Netzwerk aufbauen – Projekt in Kooperation mit verschiedenen Institutionen in Salzburg
  • Spaß am Klettern finden und eine gute Zeit erleben
  • interkultureller Austausch bei nicht alltäglichen Aktivitäten ermöglichen
  • körperliche Aktivität fördern
  • soziale Räume schaffen, interkultureller Austausch erwirken
  • Alltagsgestaltungsmöglichkeiten für die Zielgruppe schaffen

Wenn du Fragen zum Projekt bzw. Terminen hast oder diese Idee unterstützen möchtest, dann melde dich einfach bei uns!

Wir sind bei unserer Arbeit auf Spenden angewiesen. Geldspenden mit dem Verwendungszweck „UMF“ an den Verein Freiluftleben werden projektbezogen eingesetzt!

„Verein Freiluftleben“
Verwendungszweck: UMF
IBAN: AT 98 2040 4000 0354 1315
BIC: SBGSAT2SXXX

Vielen Dank an alle Menschen, die bereits Kletterschuhe gespendet haben!

Für Sachspenden verweisen wir auf andere wohltätige Organisationen z.B. die Caritas.

Vielen Dank für die bereichernde Zusammenarbeit und das gemeinsame Wirken: VEREIN MENSCHENLEBEN

 

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Geführte Klettertour Klettern

Patagonien – Warten aufs Window


Tourenberichte & Bilder unter | Ragni – Supercanaleta – Exocet – 
Whillans

20, 21, 22 und vorbei an den 23 kg der erlaubten Gepäcks-Gewichtsgrenze, um schlussendlich bei 25,9 kg stehen zu bleiben – skeptischer Blick zur Schalterstewardess, ein verzogener Mundwinkel – Stille am hektischen und sonst so turbulenten Flughafen in München.

„Sind die anderen 3 Gepäckstücke auch so schwer? Dann muss ich euch für jedes doppelt verrechnen.“

Wie brave Schulbuben verneinen wir nervös und versuchen unsere Aussage mit leicht verlegenem Kopfschütteln zu bekräftigen. Mit ausgestreckten Armen und demütig gesenktem Haupt stehen wir vor der netten Dame und versuchen ihr etwas Greifbares liefern zu können, wo sie anknüpfen könnte bzw. uns wohl gesonnen ist.

„Nein, die anderen Packerl sollten passen, wir fliegen quasi auf Expedition, Ausrüstung ist Sicherheit, eh schon Übergepäck bezahlt, eigentlich sind wir ganz lie…“ oder „Vielleicht doch einfach nur arm schaun, bevor wir es übertreiben“ geht uns durch den Kopf und wir verstummen kleinlaut und warten gespannt auf ihre Reaktion. Ein skeptischer und fragender Blick an uns:

„Und euer Handgepäck ist normal groß?“ Wieder energisches Kopfschütteln unsererseits mit leicht errötetem Gesicht und verhaltenem „ Jaa“.

„Na dann check ich euch alles mit 23 kg ein“
„Oh vielen Dank“
„Guten Flug“
„Danke nochmal und schönen Tag“

Wie eine Zweiermauer beim Freistoß im Fußball entfernen wir uns Schulter an Schulter von der Dame und schieben den Wagen mit unserem Handgepäck außer Sichtweite des Schalters. Mit beiden Händen schultern wir unseren Rucksack und gehen „erleichtert“ zur Boarding-Zone. Ich möchte meinen, Überlegungen im Bezug auf Gewicht der Gepäcksstücke sind grundsätzlich Standard bei solchen Reisen, aber die derartige Ausreizung der Grenze ist sicherlich Stefans Spezialität. Beim an Board gehen bekommt Stefans Handgepäck, sagen wir mal, noch eine „spezielle Betreuung“, aber alles kommt an Board… uff geschafft. Um 18 Uhr am nächsten Tag kommen wir nach 36 h Flugzeit mit all unseren Sachen in El Calafate und um 22 Uhr nach einer 3-stündigen Busfahrt in El Chalten an.

 

Die missverständliche Doppelbuchung unseres Appartements mit Ben und Jessy stellte sich als total tolle Verbindung und Einstieg in eine Austro-Amerikanische Bergsteigergruppe heraus. Ben, Tad (ein Wahnsinns-Kerl mit Sinn für Humor siehe Video 1 und Video 2), Klint, Jessy, Joel, Markus und Jonathan sind jedes Jahr 4-5 Monate in El Chalten. Sie kennen so gut wie jeden und wissen alles Nötige, was man rund um diesen Ort wissen sollte. Innerhalb von ein paar Tagen laufen wir auf diese Weise Rolando Garibotti, Thomas Huber, Stefan Sigrist, Colin Haley und anderen alpinistische Größen dieser Region über den Weg. In dieser Szene herrschte wirklich ein alpiner Gleichschlag der Herzen der Personen, die sich so rumtrieben, wodurch alle etwas von Anhieb an stark verbindet.

 

 

Wir waren also wirklich im „Centro Alpino“ gelandet, unsere Unterkunft für die nächsten 30 Tagen.

 

Diese Bergsteigergemeinschaft wirkte für mich wie ein Schwarm Fische, die geschlossen den Alltag verbringen und bei auftauchendem guten Wetter (der metaphorische Fressfeind-Fisch, der in den Schwarm sticht) individuell in alle möglichen Himmelsrichtungen davonströmten. Bei wieder eintreffendem schlechtem Wetter fanden dann alle wieder zum El Chalten-Schwarm zurück, um neue Kräfte zu tanken und in nervöser Ungeduld auf den nächsten Angriff wartend um den Ort rotieren zu können.

 

 

Mit Bouldern, Klettern und Laufen fanden wir eine super Beschäftigung, um auf das ominöse „Window“ zu warten. Nach fünf Tagen wuchs die Ungeduld, etwas außerhalb des Schwarmes am Berg und nicht am 5 Meter hohen Block zu machen, schon ersichtlich. Es zeichnete sich ein „Sucker Hole“ (Einatem-Pause des Windes) oder „Low Pressures Windows“, wie es die Amis bezeichnender Weise nennen, ab. Wir entschieden uns daher für eine kürzere, niedriger gelegene und vor allem bei schneeigen Verhältnissen auch mixed machbare Route.

 

BERICHT
 Poincenot – Whillans-Cochrane M4, 5+, 70°, 550 m

Weitere Bilder und Zeilen zu dieser Tour gibts HIER

Wie zu Beginn unserer Reise wurden wir auch nun wieder etwa 3-4 Tagen nach der Whillans-Cochrane-Begehung durch die darauffolgenden intensiven, fast schon einer progressiven Muskelrelaxion ähnelnden Tage, nicht tiefenentspannter, sondern zusehends nervöser und kribbeliger unter den Fingernägeln. Ein sich ankündigendes Schlechtwetterfenster rund um Weihnachten ließ uns Untätigkeit für diese Zeit befürchten, wodurch wir versuchten ein nicht astreines Wetterfenster auszunutzen, bevor Schnee, Wind und somit wieder schlechte Verhältnisse für Tage kommen würden.


Aufgrund des Neuschnees waren die Verhältnisse nicht ganz klar und wir starteten etwas ungewiss und verspätet zum Lager Niponino auf, welches sich am Fuße des Mochos, ein von dem Cerro Torre herabziehender Felsgrat, befindet.

 

BERICHT
 Cerro Standhardt – Exocet WI5+, 5+, 500 m

 

Weitere Bilder und Zeilen zu dieser Tour gibts HIER

Zurück von der Tour liefen in El Chalten schon die weihnachtlichen Vorbereitungen auf Hochtouren und wir konnten nette Abende beim Kartenspielen, Buch lesen und Faulenzen gemeinsam verbringen. Das schlechte Wetter konnte also kommen und es kam.

 

Was in Österreich immer so sehr ersehnt wird, aber kaum Wirklichkeit ist, war am 25.12 auf 400 m Meereshöhe im meteorologischen Sommer befindlichen El Chalten möglich – weiße Weihnachten mit Empanadas und Bier. Nach diesen besinnlichen Tagen zog es uns wieder in die raue Bergwelt.

BERICHT
 Fitz Roy – Supercanaleta 1600 m, 80° 5+

 

Weitere Bilder und Zeilen zu dieser Tour gibts HIER

Da wir schon zum Zeitpunkt, als wir die Supercanaleta geklettert sind, von dem sich ankündigenden Schönwetterfenster wussten, ließen wir in Vorahnung unser ganzes Material am Piedra Negra, um optional etwas Kleineres an der Aguja Guillaumet, Aguja Mermoz oder doch den Pilar Goretta zu machen. Stefans und mein Schnee- und Eisverlangen waren im Grunde mehr als gedeckt und wir strebten warmen Fels an. Wir sagten immer, wenn noch keiner am Torre war, probieren wir es erst gar nicht, um nicht eine Seillänge unter dem Gipfel umdrehen zu müssen.

Die Motivation kommt und kam jedoch spätestens, als wir zurück nach der Supercanaleta im Ort saßen und wieder den Gipfel aller Gipfel, den Cerro Torre, erblickten. Dieser Berg, der sich so erhaben, majestätisch und trotzdem auf so schlichte Art und Weise in dieses Bergpanorama fügt, zieht unvermeidlich jeden Bergsteiger in seinen Bann. Der Gipfelaufbau des Torres wird mit einem in samtig weißgefärbten aufgesetzten Mushroom gekrönt und bietet wirklich Haubenbergsteigen besten Geschmacks.

„You are gonna go big“ sagte Tad und klopft mir auf die Schulter. Auch wenn der Cerro Torre mit 3104 m nominal niedriger ist wie der Fitz Roy, war die Begehung der Ragni oder Ferrari oder Torre Westwand, wie sie auch genannt wird, doch eine Route, die so einiges an Attribute zollt. Insbesondere, wenn die letzte Seillänge wie bei uns für dieses Jahr bzw. diese Klettersaison aus jungfräulichem „Reim“ bestand und dieses Schnee- / Eisgemisch erst per Hand entfernt werden musste. Dieses Entfernen des Anraums ist eine Heidenarbeit, von der sich alle versuchen, zu drücken. Wir hoben uns diese Route ganz bewusst für das Ende auf, hatten wir doch auch Hoffnung, jemand anderer als wir macht die Wühlarbeit. Nachdem wir fast bis zum Schluss unseres Trips vergebens darauf gewartet hatten, galt es dann doch selbst initiativ zu werden und los zu wühlen.

Vor uns tat sich ein phänomenales Wetterfenster auf und lies uns Tag für Tag, Stunde für Stunde durchrechnen, wie wir die Tour am besten angehen müssen, um pünktlich am 7.01 um 13 Uhr in El Chalten zu sein – unserem Abfahrts- und Rückflugzeitpunkt. Auch den Flug zu verschieben überlegten wir, um nichts unversucht zu lassen. Ein Bergsteiger, der schon über einige Jahre verteilt immer Monate hier verbringt, hat gesagt „Verkauft sofort Teile eurer Ausrüstung und verschiebt den Flug mit dem Geld, das ist ein Window, das erst in paar Jahrzehnten wieder kommen wird“. Diese Aussagen schärfte unsere Vermutung, dass es sich wohl um ein besonderes Ereignis handelt.

 

Wir entschieden uns trotzdem für die „Keep it tight“ Taktik und setzten alles auf Herz-Dame.


Auch wenn wir bei unserem gewählten Plan sicherlich einen eher der schlechteren Tage dieses Schönwetterfensters nutzten und wir zu diesem Zeitpunkt ziemlich wahrscheinlich die letzte Seillänge selbst ausschaufeln müssen, schaute es immer noch nach passablen Bedingungen aus.

 

BERICHT
 Cerro Torre – Ragni 600 m, 90°, WI5+, M4

 

Weitere Bilder und Zeilen zu dieser Tour gibts HIER

Das Wetterfenster, welches sich am Ende unseres Trips auftat, ist sicherlich eins „von Jahrzehnten“ und hätte uns für weitere Tage Tourenmöglichkeiten geboten. Wir sind am nächsten Tag jedenfalls mehr als entspannt die 100 m zum Taxi gehumpelt, um in weiterer Folge brav unsere Sitzplätze im Flieger einzunehmen und nach 5 Wochen intensiver Zeit hier in Patagonien total zufrieden bis auf einen ordentlichen Sonnenbrand kerngesund nach Hause fliegen zu können, ja vielleicht besser gesagt zu dürfen.


Epilog

Als ich am Hauptbahnhof in Salzburg mit meinen drei riesen Taschen gefüllt mit 55 kg Luxusfreizeitgeräten einfahre, überkommt mich beim Blick auf die Sackerl bzw. Minirucksack (wo sich wohlweislich all ihr Hab und Gut befindet) tragenden Flüchtlinge ein unermesslich starkes Gefühl der Dekadenz gefolgt von einem Gefühl der totalen Priviligiertheit.

 

“ 5 Wochen Urlaub zu machen, mehrere Tausend Euro in Luxusausrüstung und Flug zu investieren, um dabei 1000 Kilo CO2 und zick Kilogramm verflixtes Plastik bei dem Flugzeugessen und wiederum tausende Kilokalorien für sinnfreien Freizeitsport in die Luft zu blasen hinterlässt einiges an Grundsatzfragen in mir. „

Wenn eine, ja selbst wenn alle meine drei Taschen den Besitzer wechseln würden, könnte man noch sehr sehr lange nicht von gleichen Lebensstandards sprechen, davon sind wir Lichtjahre entfernt. Solange unsere größten Alltagssorgen Dinge sind wie; ob Erdbeer- oder Himmbeerjoghurt, Malediven oder Kanaren, Mineralwasser mit oder ohne Sprudel sollten wir am Boden bleiben.

Vielleich reicht es schon, wenn wir zumindest zufrieden sind. Wir müssen uns noch wirklich lange nicht arm und bedroht fühlen, vor allem wenn du die Augen aufmachst und dorthin schaust, wo begründete existenzielle Sorgen den Alltag beherrschen, dann wird es dir klar werden!

 

 

“ Meine allzu utopische, aber gerne daran klammernd und mich rechtfertigende bequeme Lieblingslösung wäre die Existenz einer energielosen Fortbewegung in einer friedlichen und in einer allen gleich und wohl gestellten Welt-Gesellschaft . . . aber das hast du bei der letzten „Miss Austria“-Wahl und am Wunschzettel ans Christkind sicherlich schon gelesen. WELTFRIEDEN! „



MEHR BILDER & BERICHTE |  Ragni – Supercanaleta – Exocet – Whillans

DANKE für die Unterstützung an:

 

#ExpandYourPlayground
#SalomonOutdoorAustria
      #MountainEquipment       #FischerTour

 



BONUSMATERIAL

 

VERY Best of von Rolando Garibotti – Dörte Pietron (Buchautoren von Patagonia Vertical) – wirklich gelungene und pointierte Formulierungen, die mir in Erinnerung geblieben sind, als ich an den unzähligen Schlechwettertagen immer und immer wieder unermüdlich das Guidebook durchschmökerte:

„Long, steep and hard; a route from a time when men were far braver than today.“

„Ermanno Salvaterra; Most devoted and committed lover, Cerro Torre ever had.“

„…Maestri claimed and still claims to be on the summit by the east and north sides in 1959. Maestri climb over an mystical ice shield…nobody find it again“

„First accent Via Del Compresor (Compressor Route)… Jim Bridwell – Steve Brewer 1/1979“ Die Pointe liegt zwischen den Zeilen!

„If we accept such a pathway (das Bohren der Maestri-Bolts), because some of us, who wouldn’t otherwise have the necessary skills to climb the peak, might enjoy reaching the summit, then it could be argued that the mountain should be made accessible to those who don’t climb at all.“ Frei nach Paul Preuß „Das Können ist das Dürfens Maß“

„A Helikopter fleh overhead, filming the pair for most of the ascent and a camerman and two mountain guides were at the summit documenting the climb. Both physical and psychologically this a

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Eisklettern Geführte Eisklettertour

Poincenot – Whillans – Cochrane

Poincenot (3002 m) – Whillans-Cochrane M4, 5+, 70°, 550 m von Frank Cochrane (IE) und Don Whillans (GB) am 1.1962 erstbegangen. Begangen von uns am 12.12.2015

 

Diese Tour ist ein Klassiker, der auf der markanten Poincenot endet. Aufgrund des gefallenen Neuschnees einige Tage davor packten wir auf Verdacht an den ohnedies riesigen Rucksack noch die Schneeschuhe, die sich später als „the secret weapon“, wie es die Amis bezeichneten, herausstellten. Bis man nämlich bei den Einstiegen der eigentlichen Touren in Patagonien steht, muss man mindestens 6-7 h Gehzeit, verteilt auf ca. 15 km und 1000-2000 Hm mit so 20 kg am Rücken, einplanen. Begeistert von der Bergkulisse, der wilden, windgebeutelten Landschaft und gezeichnet vom Zustieg bezogen wir das Lager am Passo Superior (1950 m).

Wir hatten eine wunderbare Abendstimmung bei kaum Wind, aber eisigen Temperaturen. Dadurch zog sich das Schneeschmelzen, um Trinkwasser für den nächsten Tag zu bekommen, bis in die Dunkelheit. Durch die südliche Lage und dem 21. Dezember, genau um die Sonnenwende, war es immer bis 23 Uhr hell, was extrem praktisch ist, wenn die Tage am Berg wieder mal länger werden.

Der Zustieg früh morgens war mit Schneeschuhe gut machbar, die anderen Partien ohne Schneeschuhe zwang der knietiefe Schnee unerbittlich zum Umdrehen.

 

Das tiefe Spuren startete bei uns erst in der Rampe, der eigentlichen Tour. Von dort gingen wir mit Steigeisen weiter und trotz viel losem Schnee kamen wir ganz gut voran und genossen den Sonnenaufgang und die Windstille im Lee der Poincenot.

 

Nach dem 80 m langen Mixedgelände, die Schlüsselstelle dieser Tour, erreichten wir die Schulter, wo es in geblockten Terrain und bei reichlich Wind flott zum Gipfel emporging. Im absoluten „Halbgenuss“ erreichten wir den Gipfel, auf welchen wir einzeln ca. 20 Sekunden standen, da bei dem sausenden Wind nicht wirklich eine Stimmung zum Verweilen aufkommen wollte. Der Panoramablick von hier oben blieb uns leider verwehrt und so kämpften wir uns zurückgezogen im eigenen Kosmos unserer Goretex-Kapuzen abseilend und kletternd retour zum Einstieg der Whillans.

 

Nach einer kurzen Stärkung bei unserem Lager am Passo Superior blies uns der Wind auch wieder vom Berg zurück nach El Chalten, wo wir die nächsten Tage sehr sparsam mit unserer Energie haushalten – auf Deutsch – wir taten nix.

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Geführte Klettertour Klettern

Solo Grattour | Windlegergrat-Mitterspitz-Dachstein-Dirndl

Wäre die Regie über den Verlauf dieser Bergtour in meinen Händen gelegen, ich glaube nicht, dass ich den Spannungsbogen größer hätte spannen können. Doch die Regie über den Ablauf im Leben führt ohnedies das Leben selbst, weshalb oder gerade deshalb sind Erlebnisse wie die nun Erzählten besonders intensiv, wenn man sich vom Lauf der Dinge führen, leiten und überraschen lässt.

Ungläubig starrte ich beim Wegfahren um 4 Uhr auf die Windschutzscheibe, als ich zuerst einen, dann zwei, dann drei und dann nicht mehr zählbar viele Regentropfen erkannte. „Umsonst aufgestanden und vorbereitet?“, „Das wird heut maximal bescheiden bei dem Wetter!“ waren die Gedanken, die mir durch den Kopf gingen, wobei mich der Gedanke „Ab zurück ins Bett?“ als einziger dieser Überlegungen durchwegs etwas aufmunterte, auch wenn alle dem der Frust der anderen Gedanken überwog. Als unverbesserlicher Optimist fuhr ich aber weiter und sagte mir „Ab durch die Wetterscheide Pass Lueg“. Tatsächlich erblickte ich im Pongau den einen oder andern Stern am Himmel. Ich analysierte wie manisch die verschiedensten Grautöne der Fahrbahn auf Nässezeichen und war deutlich zuversichtlicher als zu Beginn dieser Autofahrt.

„Als ich 20 Minuten später, kurz vor Filzmoos den Scheibenwischer auf die zweite Stufe stellte, war diese Zuversicht im übertragenen Sinne weggewischt. Fu***!“

 

„Naja Wandern geht immer!“, „Check ich mir mal den Einstieg aus“ dachte ich mir und hoffte einfach auf halbwegs trockenes Wanderwetter für diesen Tag. Ich wollte die Chance, vielleicht doch noch einsteigen zu können, nicht gänzlich begraben, weshalb ich versuchte, mich auch für die Wanderung zu beeilen, sodass ich noch genug Zeit für die Tour haben würde, sollte sich das Wetter unverhofft bessern.

Ständig von einer Schönredealternative und Entscheidungsverschiebung zur nächsten ging ich also los. Am Sulzenhals angekommen lag der Windlegergrat erstmals halb in Wolken verhüllt im Morgengrauen vor mir und lud eher zum äußeren Begutachten als zum direkten Beklettern ein. Der November ist auch bei Föhn nicht der wärmste Monat und die Tage sind bei Wolkenwetter eher kürzer wie länger, somit war die Situation durchwegs zum Umdrehen verleitend.

Direkt unter der Wand hing die Wolkenbasis circa auf Höhe des halben Windlegergrates und lockerte leicht auf. Ich versuchte, ehrlich subobjektiv zu bleiben, um nicht, wie schon so oft gemacht, eine höhere Einstiegsmotivation an den Tag zu legen, nur weil man halt schon eben hier ist. Durch eine Kombination aus blinder Zuversicht, im Grunde brauchbaren Wetterbericht für den Tag (bei Föhn halt immer so eine Sache) und der Idee bei der Scharte zum Torsteingletscher abseilen zu können, stieg ich ein.

Die ersten Meter sind meist bei meinen Solo-Touren mit einem ständigen Selbstcheck, wie es so läuft und eher mechanischen Bewegungen begleitet. Das Hineinfinden in den Fluss der Bewegung und der neuen Situation benötigt etwas Zeit und Geduld. Bei der ersten wirklichen Kletterstelle war ich von der Exponiertheit überrascht und musste zwei-dreimal ansetzen, bis ich eine für mich genug solide Lösung für die Stelle fand. Sichtlich flüssiger ging es danach weiter und ich empfand die soeben gemeisterte Passage rückblickend als das Eintrittsticket in den nun vor mir liegenden, 1800 m langen Windlegergrat.

Das Topo von Walter Lackmayer, danke an dieser Stelle, und so manche Schlaghaken und Begehungsspuren gaben mir die nötige Sicherheit, den richtigen Weg zu finden. Mit Hilfe von Topo und Intuition fand ich auch bis dahin relativ gut den Weg. Kurz vor dem Felsenfenster galt es, nach rechts zu queren, was für mich anfangs etwas unklar war. Hier drückte der starke Westwind die Feuchtigkeit der Wolken durch das Felsenfenster und so war alles ziemlich nass, kalt und ungemütlich. Ab hier wandelte sich das Gesicht des Wetters. War es doch bis dato noch trocken und relativ windstill, so blies nun ein unangenehmer, wenn auch nicht extrem kalter, feuchter Wind.

„Abseilen oder in den Nebel hinauf?“, „Zurückgehen oder auf den Gipfel?“, „Klettern oder Schneestapfen“, eine Entscheidung musste her. Da es bis hierher so gut ging, sich der Tag bisher schon so oft positiv wandelte und ich keine Lust auf Schneestapfen hatte, hoffte ich auf weitere Wetterbesserung und stieg in das Wolkenmeer empor. Der Fels war kurz nach dem Felsenfenster extrem ungemütlich und ich kletterte mit der Daunenjacke und Handschuhen weiter. Bei einer weiteren nordseitig gelegenen und eingeschneiten Kletterstelle kletterte ich wieder einige Meter zurück in den Windschatten und überlegte, ob ich diese für mich auf den ersten Eindruck extrem unangenehm anmutenden Wandabschnitt bei den momentanen Verhältnissen überhaupt machen sollte. Erste körperliche Signale zeigten sich bei mir. Ab nun galt es doch besser etwas langsamer weiter zu machen und öfters Pausen einzulegen, um etwas zu trinken und zu essen.

Einige Male an diesem Tag war das Motto „Schau ma mal, dann seh ma scho“ und so stieg ich in diesen verschneiten Abschnitt ein, der sich besser auflöste, als er zu Beginn den Anschein hatte. Sehr beflügelt von der geschafften Stelle ging es ab nun zügig zum Torstein empor, wo ich einiges vor Mittag bei spektakulären aufreißendem Sonnenschein aus tiefer Brust einfach nur Juchizen konnte. 

„Nach so einem verregneten Start nun bei Sonne am Gipfel mit Blick auf den eingeschneiten weißen Dachstein und einem klaren blauen Herbst-Panorama zu sitzen war wahrlich genial!“

 

Ich spekuliert schon zuhause, sollte ich vor Mittag am Torstein sein, weiter zum Mitterspitz, Dachstein und übers Dirndl zu gehen. Das Wetter wurde immer besser und die Zeit stimmte ebenfalls, was mich motivierte, die gesamte Gratüberschreitung zu versuchen. Abstieg Torstein und auf zum neuen Gipfel.

 

Der Mitterspitz-Westgrat war meist Geh- und Stapfgelände mit kurzen II-III Stellen, wodurch ich rasch den Gipfel erreichte. Der Abstieg über den Ostgrat war Abkletterei und zweimaliges Abseilen über einen wunderschönen kompakten Kalkpanzer, der für einen weiteren Besuch einladet.

Wie Sisyphos rollte ich meinen Rucksack oder vielmehr meinen vom Kopf getriebenen Körper von der einen Seite des Berges empor, bis ich an dem nächsten Gipfel angekommen auf der anderen Bergseite wieder zu Tale rollte. Dieses Spiel spielte ich, wenn auch nicht ewig oft wie Sisyphos, insgesamt viermal an diesem Tag.

Von der Oberen Windluckn gings im Affengehangel auf und im Affengehangel runter vom Hohen Dachstein.

„Ich bin immer wieder bestürzt über die stillose und unersättliche Erschließung dieser sonst so schönen Dachstein-Region. Gipfelbahn, Eispalast, Bergstollen, Panoramabalkon, Panoramabrücke, Pistenraupenspur quer über den Gletscher bis zur Simonyhütte, hunderttausend Klettersteige – Disneyland ist nahezu „a Lärcherl“ dagegen.

 

Trotz diesem immer wieder aufkommenden Schock über die „Melkkuh“ Dachstein genoss ich den letzten Aufstieg auf das Hohe und Niedere Dirndl. Im Vergleich zu den hinter mir liegenden Gratabschnitten ist dies eine extrem gut mit Bohrhaken sanierte Gratkletterei in wirklich oft super Fels. Etwas blauäugig eingestiegen, ohne den wirklichen Routenverlauf zu kennen, staunte ich nicht schlechte, als ich 20 m lang und gefühlt direkt über der Dachstein Südwand freihängend abseilen musste. In der Scharte angekommen war ich überrascht, wie steil der nächste Abschnitt ausschaute und ich zwängte mich in dem Wissen, dies das letzte Mal für heute tun zu müssen, mit Schmerzen in die Kletterschuhe. Der Abschnitt vom Westgrat des Nierderen Dirndl war ziemlich steil, ja nahezu senkrecht, aber sehr gut griffig und trotz einigen feuchten Stellen gut machbar.

Mit dem inneren Gefühl, die letzte schwere Stelle an diesem Tag gemeistert zu haben, gings den Ostgrat beschwingt hinab zum Gletscher, wo ich den Moment der totalen Absturzsicherheit genoss.

Aus Prinzip und innerlichen Boykotts gegen diesen Dachstein-Wahnsinn und aus Gedanken des „fair means“, auch wenn es aus eigener Knie-Gesundheitlich betrachteter Sicht eher eine „unfair means“-Entscheidung war, stolperte ich das Kar unter der Bahn hinab und machte irgendwie zufrieden und doch nicht ganz ohne Wehmut Fotos von der sanft und energielos vorbeischwebenden Bergbahn.

Nach dem Rückweg bei der Südwandhütte vorbei und unter der Dachstein Südwand entlang schlurfte ich am Ende der Etappe mehr als gezeichnet über die dunkle Almlandschaft zurück zum Auto bei den Hofalmen. Mit Freude schüttete ich mir beim Auto, das zurückgelassene Wasser die trockene Kehle hinunter und schwelgte in Essensfantasien von fettiger Pizza und zuckrigem Getränk.

Die Fülle an Eindrücken und die Länge des Tages erzeugte bei mir ein mattes und dumpfes Gefühl der Erschöpfung. Im Versuch, an das Erlebte von diesem Tag zu denken, konnte ich vor lauter endloser Auswahl an Bildern und Unmengen an Momenten gar keinen richtigen, konkreten Eindruck fassen. Ich fühlte mich wie ein Kunde im Supermarkt, welcher unentschlossen und erschlagen von der schier unendlichen Möglichkeit der Produktauswahl verwirrt vor den Regalen steht und schlussendlich aus Überforderung ohne etwas zu kaufen das Geschäft verlässt.

In mir war ein Gefühl zehn Bilder gleichzeitig, überlagert und dementsprechend verwischt und verschwommen zu sehen. Diese Eindrucksfülle in kürzester Zeit zu erleben gepaart mit dem Umstand, sich während der Tour nicht die Zeit zu nehmen, die Eindrücke bewusst wahrzunehmen, macht aus so einem Tag auf gewisser Weise ein vorbeihuschendes Erlebnis voller Intensität und Bilder, die jedoch in ein diffuses Dröhnen enden.

Dieser Tag war trotz alledem ein extrem intensiver und bereichernder Tag, auch wenn ich wieder erkannte, dass mehr Eindrücke pro Zeit keinesfalls mehr bewusste Eindrücke pro Tag entsprechen. Den Erlebniswert solcher Unternehmungen sehe ich vielmehr in dem totalen Fluss der Bewegung und den intuitiveren Handlungen, die in einem entstehen sowie das starke Empfinden, sich als Teil des großen Ganzen, der Natur, des Gesteins und des Gebirges zu fühlen. Seine eigene Grenze zu entdecken und ein Gespür zu bekommen, sich und das Gelände richtig einschätzen zu können, sind die besonders spannenden Erfahrungen und der große Wert solcher Touren.

Fakten

Torstein Südwestgrat – Windlegergrat
(2000 m, 1000 Hm, IV+, meist II bis III, 3-4 IV Stellen, „manchmal fester Fels“ find ich gut formuliert 😉 – es macht Spaß zu klettern)
Ersbegehung Untere Teil – R. Czegha und L. Obersteiner am 18.09.1920, Obere Teil – K Bldoig, R. v. Lendenfeld, J. Steiner und J. Aufhäusler am 16.09.1879

Topo – Windlegergrat (ziemlich passendes Topo, bis auf den Routenverlauf vor dem Felsenfenster und der Passage rund um den dreizackigen Turm fand ich es ziemlich hilfreich)

Outdoor Blog (gute Bilder, Übersicht vom unteren Teil)

Dachstein Führer Schall (Gebietsführer)

Mitterspitz 
– Süd-Ostgrat (200 m VI+, extrem „gut“ mit Bohrhaken gesichert)

Übersichtsfoto und Beschreibung
Blog zur Tour mit Bilder

– Westgrat (300 hm II bis III, gestufter Grat mit Flankenausquerung möglich)
Schöne Tourenidee und Bericht

Hoher Dachstein (Disneyland – Klettersteig und Verunstaltung der Superlative – das Gipfelkreuz könnte aber noch etwas größer sein)
Unmengen im Internet

Gesamte Dirndl Überschreitung
(200 hm, extrem „gut“ mit Klebehaken gesichert, III+ oder direkt IV+, Sinn der Abseilpiste bei !Überschreitung! fraglich, Abstieg über Ostgrat wäre/ist III+)
Topo / Berschreibung (die vorgeschlagene Abseilpiste versteh ich bei einer „Überschreitung“ nicht ganz)

Relativitätstheorie
http://www.alpinwiki.at/erstbesteiger/seitelberger-leo (Interessanter Beitrag, der so einiges relativiert, wenn man sich einen in Lodenhosen und mit genagelten Bergschuhen daher stiefelnden Bergsteiger vorstellt – beeindruckend!)

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Kletterkurs Klettern

Alpinklettern Basiskurs – Werfener Hütte

Letztes Wochenende fand im Bundesland Salzburg auf der feinen Werfener Hütte im Tennengebirge der Alpinkletterkurs Basis statt. Am Freitagnachmittag, bei zwar leichtem Nieselwetter, fanden wir unter einem Überhang, im nahegelegenen Klettergarten, ein trockenes Platzl, um das Standplatzbauen zu besprechen und zu üben.

Am Samstag und Sonntag ließ uns die Sonne nicht im Stich und wir hatten zwei perfekte Übungstage, wo bis zur totalen Verwirrung alles Mögliche und fast Unmögliche geübt und trainiert wurde.

Am Sonntag konnten wir eine Mehrseillängentour am Hiefler begehen. Es ist total toll zu sehen wie nach 3 Tagen Kursbetrieb die Teilnehmer*innen eine Alpinklettertour selbständig klettern können und vor allem wie viel Freude sie dabei haben.

 

An den Abenden gabs nach der super Bewirtung von Anja und Gerhard (danke!) etwas Theorie, um zu guter Letzt gemeinsam den Tag gemütlich ausklingen zu lassen.

Lehrinhalte waren

Trittschulung, Standplatzbau an zwei Bohrhaken, Seilschaftsablauf, Abseilen über zwei Seillängen, Knotenkunde, Tourenplanung, Prusiken in Perfektion und so manch andere Details.

Für ein umfassendes Alpinkletterkönnen reichen diese drei Tage jedoch noch nicht, deshalb findet der Alpinkletterkurs Aufbau statt, wo weitere Details und Themen geübt und die eine oder andere Alpinkletterroute geklettert werden.

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Eisklettern Geführte Eisklettertour

Halbe Blaueisumrahmung am Hochkalter

Ben und ich kletterten am 16.01’14 den Großteil der Blaueisumrahmung. Das anfänglich beim Zustieg total schneefreie Gelände, wurde spätestens ab der Blaueishütte tief winterlich. Der Grat und die Kletterei präsentierte sich dann verschneit und durch eine leichte Bewölkung von seiner kühlen, winterlichen Seite. In einsamen Ambiente stapften und kletterten wir zuerst über die Schärtenspitze und weiter über die Blaueisspitze zur Blaueisscharte.

Nach einer wirklich genialen Kletterei, in teils anspruchsvollem Mixedgelände, gings von der Blaueisscharte licht- und zeitlos wieder ins Tal.

Eine etwas lebendigere Beschreibung des Ganzen, liefern die gemachten Bilder.

>Kurse / Coaching für Mixed- und Eisgelände

 

Fakten

Stände sind im Klettergelände durchgehend mit großen Ringklebehaken eingerichtet. Zur Schärtenspitze sind die Seillängen sehr gut abgesichert (für mein Empfinden zu viele eingebohrte Haken für solch eine Tour). Lässige Kletterei in landschaftlich schöner Gegend (III- laut Führer, III geht sich leicht aus). Von der Schärtenspitze gibt es eine Abstiegsmöglichkeit über den Normalweg. Weiterer Verlauf zur Blaueisspitze zuerst Gehgelände auf dem flachen Rücken. Dann wird es im Vergleich zur Schärtenspitze etwas alpiner mehr Schnee und schwieriger von der Orientierung (IV, laut AV Führer (…) durch einen Felssturz am 25.07.1954 wurden am 2. Turm gegenüber der Originalroute wesentlich schwierigere Verhältnisse geschaffen.“). Stände sind weiters gebohrt. Absicherungen sind weniger vorhanden, sicherlich auch aufgrund unserer “Linksvariante”. Von der Blaueisspitze absteigen zur Blaueisscharte, von hier entweder weiter absteigen über das Blaueis, am besten einmal Abseilen ca. 20 m oder wie original bei der Blaueisumrundung weiter zum Hochkalter (unschwierig, I-II) und Abstieg über den Normalweg zur Blaueishütte.

Material

mittlere Friends #0,3-#1
kleines Keileset
eine Eisschraube/Eissanduhrenfädler
Steigeisen und Eisgerät+Spinnerleash
kleines Schlaghakensortiment
40m Seil + Hilfsleine

Literatur/Karte:

SCHOENER, H. und KUEHNHAUSER, B. (1997), Alpenvereinsführer Berchtesgadener Alpen, 18. Auflage, Rudolf Rother Verlag, München vergriffen,

S.294 Routen 752, 744, 728, 701 und 702A

Alpenvereinskarte BY 20, Lattengebirge, Reiteralm

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Eisklettern Geführte Eisklettertour

Winterbegehung Hoher Göll – Westgrat

Alle Jahre wieder verschlägt es Felix und mich gemeinsam in die „winterliche Welt“ der Berge. Im Sinne der Vervollständigung und einer geringen Anfahrtsstrecke fiel die Wahl auf den Westgrat. Diesmal war zwar deutlich weniger Schnee, wie 2010 am Kuchlerkamm , es war jedoch trotzdem auch diesmal nicht minder besinnlich. Der Westgrat auf den Hohen Göll ist um einiges kürzer als der Kuchlerkamm jedoch ist hier auch um einiges mehr zu klettern.

Schon der Aufschwung ins Pflugtal erwies sich im dunklen und ohne Vorerfahrung als orientierungstechnisch nicht ganz einfach, wodurch wir gleichmal Individualität zeigten. Am Einstieg angekommen, ging es erstmals über unzählige Latschen drübernudelnd dem Pflughörndl entgegen.

Gespickt mit einigen Mixedstellen und losem Gestein führte uns der Grat direkt auf das ausgesetzte Pflughörndl. Der im AV Führer angeführte Abstieg nordöstlich über Schrofen und eine Steilrinne dürfte der Erosion zum Opfer gefallen sein und somit entschieden wir uns fürs Abseilen über südöstlich senkrechtes Gelände.

Der nächste Aufschwung wird nach dem AV Führer südseitig umgangen und ergab dadurch genial schneefreies Klettern, an aufgewärmten Kalk, in stimmungsvoller Umgebung. Wieder am Grat angelangt, wurde nur mehr das “Fenster”, mit einem Spreizschritt, zur bewegungstechnischen Herausforderung. Der Weiterweg danach zum Gipfel ist unschwierig und lässt unsere Blicke schweifen.

Am Gipfel genossen wir mit einer Tasse Tee die, im Vergleich zu 2010, milden Temperaturen und die beruhigenden Aussichten über den ohne Ski leichten Abstieg. Gleichzeitig mit zwei unerschrockenen Berchtesgadnern starten wir zu Fuß, sie mit Ski und dem Motto “bis das der Stein uns scheidet” den Abstieg respektive die “Abfahrt” über die Umgänge.

>Kurse / Coaching für Mixed- und Eisgelände

 

A. und G. Schulze, 1900. IV (Stelle), Stellen III, häufig II, längere Passage Gehgelände (oberer Teil), 6-8 Std. von Scharitzkehl. Landschaftlich schöner und sehr langer Gratanstieg, der allerdings längere Passagen in teils brüchigem Schrofengelände aufweist. (entspricht ziemlich gut der Tatsache)

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Geführte Klettertour Klettern

Yosemite Bigwalls – Yes we are!

Ähnlich wie vor meiner letzten großen Reise nach Pakistan war auch diesmal vor dem Abflugtermin noch ordentlicher Trubel angesagt. Die Druckmaschinen warteten auf die Datei von „das_Eiskletterbuch“, welches diesen Herbst erscheint. Um fertig zu werden wendete ich wieder meine „no sleep befor fly“ Taktik an, wodurch positiverweise auch die Fensterplatzreservierung obsolet wird und man den Einreisewahnsinn den die Amerikaner so treiben nur im Halbdelirium ertragen muss.

Einreise

Nachdem ein älterer Herr neben mir nach 3 Stunden sinnlosem Anstehen vor der Einreisestelle zusammenbrach erhärtetet sich dann schlussendlich in einem netten Gespräch mit dem Homeland-security ***** mein Verdacht das hier ein kleines semantisches Missverständnis zwischen Tourist und Terrorist besteht. Einiger Privatsphäre leichter fuhr ich Richtung Yosemite dem eigentlichen t(err)ouristischen Grund meines Besuches. 

Das Anhören des Songs  http://www.youtube.com/watch?v=XV2qopnk0gM (ACHTUNG: Dieser Song könnte sie zum Nachdenken veranlassen und ihr Weltbild leicht verändern) fördert vielleicht nicht gerade sich auf das Land einzulassen, aber vergessen darf man das Auftreten und Verhalten dieses Landes auf keinen Fall.

Meine zweite gute Tat, nachdem ich bei der Einreise schon Geduld gezeigt habe, war das Abholservice für Stefan sein Material. Nachdem er einige Tage solo in der Muirwall verbracht hatte und am El Capitan ausstieg war er sichtlich froh, dass ich ihm half den ganzen Krempel wieder runter ins Tal zu bringen.

Geburtsnachstellung im Hardingslot

Nachdem der Muskelkater vom Runterschleppen wieder vergangen war und nach ein paar Eingehtouren wurde es im Astroman erstmals ernst. Der Hardingslot stellt sprichwörtlich das Nadelöhr der Tour dar. Der Slot ist so eng, dass der Helm und sämtliches Material am Gurt entfernt werden und das beklemmende Gefühl beim Einatmen festzustecken hingenommen werden muss. Aus dieser Ritze muss man sich aus eigener Kraft sprichwörtlich raus-gebären. Eine Erfahrung der besonderen Art, aber es soll Menschen geben die Zahlen für Geburtsnachstellungsseminare sogar Geld. Für kletternde Kaiserschnittgeburten die sich weiterentwickeln möchten, kann diese Route somit absolut empfohlen werden.

Golden Gate und NIAD

In den nächsten Tagen absolvierte ich ein Jumartraining in der „Golden Gate“,  da Stefan versuchen wollte die Route Rotpunkt zu klettern. Ein paar Tage darauf kletterten wir die NIAD (Nose in a day) und kamen sichtlich geschafft aber glücklich am Abend wieder ins Camp 4.

Facelift

Beim sehr sinnvollen alljährlichen Müllsammelfestival namens „Facelift“ halfen wir ein wenig mit sauber zu bleiben. Wir staunten nicht schlecht als es hieß,  man sollte Dinge die älter wie 50 Jahre waren liegen lassen, wegen der möglicherweise historischen Bedeutung?! Die Amerikaner haben wirklich eine Geschichte wie ein Kleinkind, vielleicht spielen sie deshalb noch so gern mit Waffen.

SSPO

Bevors aufgrund des Budgetstreits zur Parkschließung kam konnten wir uns noch rechtzeitig in die Technoroute „South sea pacific ocean wall“ oder auch „zeigt dir die Vergänglichkeit von Materialien“ genannt retten.

Bilanz: zwei gerissene Quickchanges, eine gerissenen Bandschlinge, ein gebrochener Rivet, vier gerissene copperheads.

Conclusio: Nichts ist für die Ewigkeit, tausch deine Sachen mit der Zeit!

Bishop

Nach dem doch sehr sehr sehr materialaufwendigen Technoklettern machten wir ein totales Kontrastprogramm. Beim Bouldern nur mit Schuh und Chalkbalg ausgerüstet genossen wir die Leichtigkeit dieser Spielform und ein Leben ohne Rangerhochaufgebot wie im Valley. Die Gebiete waren rund um Bishop – einem verschlafenen Cowboynest hinter der Sierra-Nevada – verteilt und sind so genial, dass sogar Alpinkletterer Freude empfinden.

Needles

Nach einer lässigen Woche Bouldern wollten unsere Füße doch wieder einmal richtig vom Boden abheben und wir fuhren weiter. Die Needles waren ein perfekter Ort für den Ausklang des Urlaubs. Diese Granitnadeln liegen idyllisch auf einer Anhöhe, mit Weitblick übers ganze Land. Perfekter Granit, super Risse und wenig Leute machen diesen Ort zu etwas ganz Besonderem. Eine Empfehlung an alle Genießer, Geburtsnachstellungserholungsbedürftige oder zur Erholung nach dem Trubel im Yosemite Valley!

Nach sechs intensiven Wochen Amerika war mein Zuckerspiegel gestillt und wir zum Abflug bereit.

>HIER gibts unseren Riss- und Bigwallkurs in Österreich. Trainiere und lerne mit uns die Bigwalltechniken die es für eine Amerika Yosemitereise oder einen Bigwall braucht.

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Eiger Nordwand – Heckmair Route

Abenteuer in Fels und Eis

„Schnell is gangen“ ging mir durch den Kopf als ich im Zug Richtung Innsbruck saß, hatte ich doch vor kurzen eigentlich für Heute ganz was anders vor.

Das Wetter in der Schweiz und vor allem unsere Motivation war bestens und zwang Roli und mich förmlich einen Versuch zu starten, auch wenn die Bedingungen nach den Infos eines Locals nicht optimal waren, da es Tags zuvor einiges an Neuschnee gab. Mal schauen!

Richtig Spannend wurde es jedoch schon bei der Anreise, da wir hier einen Wettkampf gegen die Ankunftszeitberechnung des Navis zu fechten hatten, welcher durch ein einstündiges Werkstattintermezzos aufgrund eines rechten Radlagerdefektes zu einem wirklichen Krimi mit wohl geformten Spannungsbogen wurde.

In gefühlt letzter Sekunde erwischten wir noch die Zahnradbahn von Lauterbrunnen Richtung Kl. Scheidegg und weiter zur Station Eigergletscher. Zahn für Zahn gings hinauf zu den iImposanten Gipfelriesen des Berner Oberlandes Eiger, Mönch, Jungfrau.

Nach einem Nervenberuhigungsbier für vergangene und kommende Strapazen und einem stimmungsvollen Sonnenuntergang fielen wir in einen kurzen aber intensiven Schlaf ehe uns um zwei der Wecker in den Wachzustand versetzte.

Den bruchharschigen Zustieg brachten wir mit etwas Extraschweiß hinter uns und stiegen im Stirnlampenschein und mit Unterstützung der Leuchtkraft des Mondes in die Wand ein. Das untere Drittel der Wand, bis zum schwierigen Riss, war bei der gegenwärtigen Schneelage und auf dem richtigen Weg seilfrei gut machbar. Bis hierher konnten wir uns, obwohl keine Spur vorhanden war, mithilfe des am Vorabend gemachten Übersichtsfotos der Wand gut durchsuchen.

 

Von nun an passierten wir Schlag auf Schlag die mit den klingenden Namen versehenen Abschnitte der Wand. Innerlich diese Namen rezitierend gings vorbei am: Schwierigen Riss mit dem momentanen Seilgemenge in punkto Schwierigkeit sehr überschaubar.

 

Hinterstoißer Quergang mit dem Fixseil eher ein Klettersteig.

 

SchwalbennestErstes Eisfeld kurz und gut zu gehen, Eisschlauch super zu klettern 70-80°, Zweites Eisfeld ebenfalls gut zu stapfen, Bügeleisen kurzer kletternder Aufschwung, Todesbiwak in überraschend sauberem Zustand nicht ausgehakt, Drittes Eisfeld unscheinbar.

Nach einer Suppe gings weiter.


Rampe
 lockerer Schnee aber gut kletterbar mit steiler fordernder Länge und Schneepilz.

 

Wasserfallkamin nahezu ein Genuss.

Rampeneisfeld blank und spröde.

Brüchige Rampe Zustieg zu dieser wirklich brüchig oida leck Biwakmöglichkeit auf Rampe, Brüchiger Riss fordernd aber gut zu klettern sehr luftig.

Götterquergang etwas wenig Schnee – Eiertanz auf zwei Beinen, Spinn i‘  is de blank bis uns die Wadeln um die Ohren sausen.

 

Ausstiegsrisse steil und nochmal fordernd nach der Spinne drei Längen rechts halten nicht zu früh links (hier Rückzugskeil und Schlaghaken mit Schnapper).

Quarzriss echt steil und fordernd, Corti-Biwak nicht aufgefallen dürfte keine paradiesische Größe haben, Gipfeleisfeld blank Wadeltrauma garantiert, Mittellegigrat sehr ausgesetzter aber unschwieriger Schneegrat, Eiger 3970 m YEAH!

 

Nach einer kurzen Teekochpause und einem genießenden Moment am Gipfel gings mit den letzten Sonnenstrahlen westseitig zuerst 200 hm, steil ca. 35-40° abkletternd, dann im knietiefen Sulz am Arsch rutschend bis zur Bahnstation hinunter. Die im unteren Bereich natürlich geformten Rutschbahnen (anglophil „natural pipes“) waren einfach genial und so rutschten wir mit kindlichem Freudengeschrei die 1800 hm Richtung Tal.

Verhältnisse
Aufgrund der erträglichen Tageserwärmung (Nullgradgrenze 3500m) und dem zeitlich frühen (3Uhr) Einstieg hatten wir quasi null Steinschlag, aber trotzdem „feine“ Klettertemperaturen. Weitenteils waren sehr passable Kletterbedingungen, der Bruchharschzustieg war suboptimal, die blanken Eisfelder forderten Wadelstrom.

Fazit

Ich war von der Menge an vorhandenen Haken, Schlingen und Fixseilen überrascht. Eine gewisse Schlingenbereinigung würde die Tour in Punkto Schwierigkeit sicherlich in einen ursprünglicheren (ehrlicheren) Zustand versetzen, auch wenn wir an allem gezogen haben was hergekommen ist, bin ich für Ehrlichkeit. Die schwierigen Abschnitte sind durchaus fordernd aber meist gut eingenagelt und oft mit Schlingen entschärft. Wenn du in einer schwierigen und steilen Stelle keine Steigeisenkratzspuren siehst bist du falsch. Meist gibt’s deutlich eingeschliffene Tritte und Hooks.

Die Heckmair-Route ist konditionell anspruchsvoll weil sehr lang, 1800 hm, 4 km Länge und akklimatisationstechnisch schon in großer Höhe. Die Kletterei macht jedoch wirklich Spaß, Eis wechselt sich mit Mixed Abschnitten in meist gutem Fels. Die Route sucht auf eindrücklicher Weise einen Weg durch die Schwachstellen der Wand, wodurch deren Verlauf zwar einige „Hin und Hers“ hat, aber in der Wand befindlich meist als logisch erscheint.

Der Umstand, dass die Erstbesteiger „ohne jegliche“ Vorkenntnisse und mit der damaligen Ausrüstung die Route eröffnet haben, stellt für mich eine echt wahnsinnige Leistung dar, die mich zum Staunen bringt. Die zeitlichen Pulverisierungen der zwei Rennsemmeln Arnold und Steck sind nach unserer Begehung für mich einfach nur unglaublich und fast nicht nachvollziehbar.

Wie man an den unzähligen Links unten schon erkennt ist die heutige Informationslage unglaublich groß und ein virtuelle Begehung der Route vom Sofa aus möglich. Ob dies den Abenteuerwert und den Reiz der Route erhöht darf in diesem Zusammenhang sicher hinterfragt werden.
Im Zweifel nicht alles anklicken.

Webcam
http://panocam.panomax.at/lauberhorn (direkter Einblick in die Wand in Echtzeit)

Wetter/Lawine
http://www.meteoschweiz.admin.ch/web/de.html
http://www.slf.ch/lawinenbulletin/lawinengefahr

Video
https://www.youtube.com/watch?v=8-6Kv1IKynk (etwas martialisch aber informativ)

Blogseiten
http://www.thamer.at/2011/04/14/ein-unglaublicher-tag-am-gipfel-vom-eiger-durch-die-nordwand/ (ziemlich ausführlich)
http://moaddsgaude.wordpress.com/2011/02/06/heckmair-eiger-nordwand/(prägnant)
http://wuidebuam.blogspot.co.at/2011/03/eiger-norwand.html

Wandfotos
http://www.hikr.org/gallery/photo498037.html
http://www.topodb.ch/index.php?function=display&object=Sector&level=sector&id=657
http://www.chmoser.ch/trips/berichte/tourendetail.php?TourId=671 (Abstieg)

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Dreiherrenspitz – Nordostverschneidung

Om, Om mani padme hum, Om man ist da viel Schnee, Ommm…

Immer wieder zwang uns der meist zu dünne Harschdeckel in die Knie und wir krochen gebetsartig der Wand entgegen. Wie Pilger zum Kailash, näherten auch wir uns der Dreiherrenspitz Nordwand, mit voller Demut, was durch unseren Gehstil noch verstärkt wurde. Om.

Unsere Pilgerreise verlängerte sich aufgrund des demütigen ankriechens auf vier Stunden anstatt der geplanten zweieinhalb. Dafür wurden wir bestimmt von einigen Sünden befreit bzw. unser Karma wurde aufgewertet.

Unter der Wand angekommen hieß es erstmals Kleidung trocknen, frühstücken und Zeug zam suchen für die Wand. Die Sonne fand überraschend lang einen Weg in die Nordwand, wodurch es zum einen angenehme Temperaturen hatte, zum anderen jedoch unangenehme Rutsche und aufgeweichte Verhältnisse vorherrschten. Im gesamten nicht ganz ideal. Da die Sonne vor allem in den rechten Wandteil schien, hofften wir uns Besserung sobald wir weiter oben aus dem Einzug dieses Wandteils kommen würden.

Die ersten drei Längen sind steiles Schneegestapfe und führen links haltend in ein Rinnensystem dem wir weiter zu folgen versuchten. Die unzähligen Spindriftattacken versuchten uns aus dieser Rinne hinauszutreiben. Wir überlegten rechts in den Fels auszuweichen um den Spindrifts zu entgehen, befürchtet jedoch bei verschlossenen Platten den Rückweg antreten zu müssen. Vor uns lag ein steilerer Aufschwung, welcher über eine schon etwas feuchte Glasur, in den von uns erhofften flacheren Wandabschnitt führte. Also Kapuze auf und Zwischensicherungen rein. Dieser Bereich wurde noch von der Sonne beschienen, wodurch es empfindlich tropfte und wir uns zwangsweise einer feucht triefenden Reinigung unserer sündigen Körper vollzogen.

Nach dieser Länge wurde es vorerst wirklich flacher, schattiger und wir waren aus dem Einzug der rechten Wandflanke, Erleichterung machte sich breit. Der geneigten Rinne folgten wir bis zum letzten Gipfelaufbau, welcher es noch mal in sich hatte. Die oberen drei Längen waren spannende Kletterei über verschneite Platten und Schrofen mit zum Teil schlechten Sicherungsmöglichkeiten. Um halb zwei wuchteten wir uns über die Gipfelwechte und genossen die trocknenden Sonnenstrahlen.

Tourenbeschreibung
Dreiherrenspitz Nordostverschneidung rechter Ausstieg: 450 m Wandhöhe unsere Einschätzung, V+, M5, Eis 90°, ca. 9 lange Seillängen, 6-7Std.

Auszug Alpenvereinsführer Venedigergruppe:
S. Brunhuber, W. Schneider, 17.09.1947, 16Std., Gfr 1968/57, ABZ 1947, ÖAZ 1947/182. Neue Anstiegsbeschreibung; H. Kammerlander, W. Beikircher, August 1981, 4 Begehung, 8 Std., BGS 1985/7/26

Fels V+ (unterer Teil), III, IV (oberer Teil), Eis 50-65°, 450Hm. Fast immer vereistes Gelände, ab Wandmitte brüchig und keine sicheren Standplätze. Einzelstellen schwieriger als die Schlüsselstellen der Heckmair-Route in der Eiger N-Wand (S. Brunhuber). Vgl Foto S. 185.

Zustieg
Übers Krimmler Achental. Ab Materialseilbahnstation der Warnsdorfer Hütte 1845 m bis Einstieg 3000 m rechts haltend übers Krimmler Kees ca. 3-4Stunden. Im Sommer Bergschrundproblematik. Bei uns im Mai knapp aber ausreichend eingeschneit.

Material
0,4-2 C4 einfach 0,5 und 0,75 doppelt
Klemmkeilsatz
Schlaghaken 5stk
Zwei Eisgeräte/Person
4 Eisschrauben (im Gully bzw. Eis brauchbar, bei uns zu weich)

Abstieg
2-3Std. Normalweg über Birnlücke, unproblematisch mit kurzem Gegenanstieg zur Birnlücke.

Literatur
Alpenvereinskarte Nr. 36 Venedigergruppe

Alpenvereinsführer Venedigergruppe, Willi End und Hubert Peterka, 5. Auflage 2006 Seite 388

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Expedition Pakistan – Trango Tower

Der Start der Reise rückte überraschend schnell näher und somit wurde es kurz davor etwas chaotisch, endete jedoch, wie es sich für eine Geschichte gehört, glücklich. Dominik wurde in der Nacht vor dem Abflug von Hustenattacken geplagt und konnte kaum schlafen. Auch ich kam in dieser Nacht zu keinem Schlaf, weil mich noch die Arbeiten am Kletterführer plagten und ich krampfhaft versuchte diesen fertigzustellen. Um 5 Uhr in der Früh kapitulierte ich und mein Freund musste die letzten Dinge für den Druck alleine fertig stellen. Schnell noch den Computer ausgeschaltet, Handy in die Schreibtischlade verstaut, Gepäck ins Auto gepackt und ab zum Flughafen. Ab diesem Zeitpunkt fühlte ich mich total entspannt und gespannt zugleich, auf das was kommen wird. Am Flughafen mussten wir Dominik noch überzeugen, dass Pakistan, Bergsteigen und 6000 m.ü.M. genau das richtige sind, wenn man gerade Antibiotika nimmt und einen bronchialen Infekt hat. Dominik glaubte uns zwar kein Wort, aber er wusste, dass es mühsam sein würde später alleine nachzukommen und uns in den letzten Winkel der Erde zu folgen -> also flog er mit. Anfang gut, alles gut oder so ähnlich?

Über Doha ging’s nach Islamabad. Um drei in der Früh hieß es Landeklappen ausfahren und Augen auf, das Abenteuer beginnt.

Am Flughafen wurden wir von Shipton Trekking herzlich empfangen und jeder bekam erstmal einen riesen Blumenkranz um den Hals gehängt. Wir fühlten uns wie Kühe beim Almabtrieb. In der brütenden Hitze wurden wir durch die Menschenmassen (ja, die sind da auch um 3 Uhr in der Früh – in Pakistan ist man nie allein) zum Auto und in weiterer Folge zum Hotel getrieben. Gestern noch vor dem PC, brüteten wir nun auf der anderen Seite der Erde. So schnell geht’s.

Nach einigen Besorgungen und Ge-“manage” ging’s per Auto über den berühmt-berüchtigten Karakorum Highway zwei Tage lang und 300 km (dieses Zahlenverhältnis spricht für sich) nach Skardu, der Hauptstadt von Baltistan. Von hier aus ging es straßentechnisch noch etwas abenteuerlicher und zahlenverhältnismäßig nicht minder interessant – weitere 7 h und 120 km per Jeep nach Askole, dem Ausgangspunkt.

Hier wurden unsere Lasten an die schon wartenden Träger verteilt und wir machten uns auch fertig, um am nächsten Tag den dreitägigen Fußmarsch in Richtung Trango Basislager anzutreten. Begleitet wurden wir von drei herzigen Kerlen: Shakoor, Ali und Kasim. Sie sorgten für unser leibliches Wohl und dass wir inkl. unserem Krempl, dorthin kamen wo wir hinwollten.

Der Trek zum Lager ist schon eine Reise für sich wert, wodurch auch einige Trekker unterwegs waren. Am zweiten Tag kam uns beim stundenlangen Gehen und der endlosen Aussicht immer wieder das eigentliche Ziel in den Sinn. Man sucht die Weiten begierig nach dem markanten Gipfel ab, aber wir mussten uns noch gedulden. Das monotone und gemütliche Trekken wurde nicht von jedermann als Genuss empfunden. Schon gar nicht von Speedflyer und Freeride-rasern. Dies ließ mich zur Erheiterung noch demonstrativer über die Vorzüge des Trekkens schwärmen.

Im Basislager angekommen, wurden erstmals die Zelte aufgeschlagen, die Blasen versorgt und der Mund wieder geschlossen -> vom Anblick der Türme eine Stunde zuvor. Das Basislager ist eingebettet zwischen einer riesen Granitwand und dem Moränenwall des Trangogletschers. Zusätzlich liegt es an einem idyllischen See. Durch den sandigen Untergrund und der jamaikanischen Stimmung im Zelt, kann man seine Lage schon mal mit einem Strandurlaub verwechseln. Spätestens beim Öffnen der Zelttür schlägt einem wieder der Wind der Realität entgegen. Wir waren am allerwei(r)testen, entfernten Punkt der Welt. 7 Tage brauchten wir bis hierher; schon klar das Zahlenverhältnis wurde immer “schlechter”. 30 km/7 h – es wurde aber noch gemächlicher, 6 Seillängen an einem Tag – 400 m/10 h. Ich las nicht nur das Buch “Entdeckung der Langsamkeit” – nein, ich lebte es.

Nachdem wir das ABC auf der Sonnenterrasse mit Essen und Ausrüstung bestückt hatten, hieß es nämlich wieder zurück zum Basislager, zu unserem geliebten Strand. Unser Aufenthalt im Basislager verlängerte sich ungewollt von geplanten 2 auf 7 Tage. Die Ungeduld wuchs mit jedem Tag. Zugegeben ich lebte das Buch noch nicht vollends. Nach sieben Tagen prognostizierte uns Charly “Wetterguru” Gabl ein stabiles Hochdruckfenster. Wir erhofften uns dadurch einen Blick auf den Gipfel. Also letz fetz.

Durch die anfänglich wetterbedingte Unentschlossenheit brachen wir etwas verspätet, um drei Uhr Nachmittag, in Richtung Sonnenterrasse auf. Bei leichtem Schneefall und trotz Hilfe unserer Fixseile wurde es stockdunkel bis wir diese erreichten. Gut das dort unser Palast, ein kleines Zweimannzelt auf uns wartete. Der kontinuierliche Druck im Kopf wurde im Zelt perfekt ergänzt durch nähebedürftige Knie, Schultern und Ellbogen. Schön, dass man nicht alleine ist. Die nächsten vier Nächte schlief nur mehr Basti im Zelt – leicht ist das Zelt, da kann man gar nichts sagen *g*.

Die nächsten zwei Tage versuchten wir, gegen die Langsamkeit ankämpfend, zu Klettern und möglichst weit Seil entlang der Yugoslawenroute für unseren Durchstieg zu fixieren. Es war nicht alles in freier Kletterei möglich, denn über 5700 m.ü.M. waren die Risse oft vereist. So bewegten wir uns teils technisch, teils frei kletternd nach oben. Am dritten Tag, bei strahlend blauem Himmel und aufgehender Sonne schauten wir erfolgreich durchs Fenster. Pünktlich zur Mittagszeit am Gipfel angekommen, genossen wir einfach nur diesen einzigartigen Moment.

Nachdem wir wieder gesund im Basislager angekommen waren und all unseren Krempl auf einmal, über die spannende und brutal anstrengende Zustiegsrinne runter gebracht hatten, brauchten wir erstmal Erholung. Die letzten verbleibenden Tage im Lager verbrachten wir bouldernd, kletternd, essend, lesend, kartenspielend mit unserem Dreamteam Kasim, Ali und Shakoor und vor allem einfach genießend.

Einmal konnten wir uns noch motivieren und versuchten uns an einer “Erstbegehung” an der anderen Gletscherseite. Diese wartete mit Wahnsinns-Kletterei auf uns…. Zwei Seillängen unter dem Top mussten wir uns zeit- und nervenmäßig geschlagen geben. In der letzten Länge steckte ein riesen Zündholz aus Granit, welches beinahe aus dem Riss kippte und mit Sicherheit Dominik und mich am Stand erwischt hätte. Also ließen wir es bleiben und seilten unserer Gesundheit frönend ab. Wir tauften die Route Sleepless, soviel “schlafen” hab ich noch nie jemanden in einer Tour gesehen.

 

Es wurde Zeit die Zelte abzubauen und diesem ganz besonderen Stück Erde Lebewohl zu sagen. Es war eine bereichernde und wirklich schöne Reise, zu einem weit entfernten und ganz anders belebten Flecken Erde. Die Herzlichkeit der Menschen und die Landschaft sind einfach überwältigend.

Besonderen Dank gebührt unseren vielen Helfern, Trägern und Pferden ohne deren Hilfe diese Unternehmung in dieser Art nie möglich wäre.

Danke auch für die Unterstützung an

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Geführte Hochtour Hochtouren

Besinnliche Wintergratweitwanderung – Kuchler Kamm

Die Vorgeschichte

Wie alles im Leben begann auch diese Tour im Kopf. Vor den Augen in den Sinn war die Devise, als sich bei der Skitour auf das Rossfeld der Kuchler – Kamm das erste Mal in voller Größe vor mir erstreckte. Mein Blick wanderte vom ganz links liegenden Gipfel (der Kleine Göll) nach rechts über unzählige nicht enden wollende Auf und Abs, bis der Grat gerade noch im Bewegungsspielraum meiner Halswirbelsäule am Hohen Göll ein Ende fand. Ein neues Projekt war geboren.

Die anfänglich gedachte erste Schwierigkeit grundsätzlich auf den Grat zu kommen, löste sich mit einem Blick in die Karte schnell auf. Jetzt hieß es nur noch einen Brief ans Christkind zu schicken. Die Skitour am 24igsten auf den Hohen Göll war ernüchternd; knietiefer Sulz und frühlingshafte Temperaturen. Zählte man jedoch Sulz + kommende Kaltfront zusammen ergab sich eine göttliche Kombination; ein tragfähiger Harschdeckel der Speed und Lawinensicherheit versprach.

Da Felix an jenem Abend unerwartet erfahren hatte, am nächsten Tag nicht Skilehrern zu müssen und da das Wetter für den nächsten Tag mehr oder weniger gut angesagt war, stand schnell ein Plan für den nächsten Tag.

Ziel Hoher Göll über den Kuchler – Kamm. Nach einem kurzen materialtechnischen Hin und Her, ob mit oder ohne Ski, entschieden wir uns ohne Ski aufzubrechen, was sich als sehr kluge Entscheidung herausstellte. Also alles packen und kurz ins Bett gelegt.

Die Umsetzung

Um 2.30 läutete der Wecker, das Leben kann manchmal schon hart zu einem sein, aber was soll man tun?

Lustlos und schlafverstrahlt steckten wir uns einiges essbares in den Mund, setzten uns ins Auto und fuhren Richtung Gollinger Wasserfall. Die prognostizierten 5-10cm Neuschnee über Nacht stellten sich am Parkplatz angekommen als eher 30-40 cm heraus. Naja erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt. Mit einer guten Ausrede für ein Misslingen im Gepäck, starteten wir gleich um einiges entspannter mit der Hirnbirn in den dunklen Wald.

Aufstieg

Die Schneedecke wurde mit jedem aufgestiegenen Höhenmeter stabiler und der Neuschnee war so leicht und luftig, das er nicht ins “Gewicht” viel. Den glitzernd märchenhaften Winterwald stapften wir in nächtlicher Stille empor. Beim Stapfen durch den fast knietiefen lockeren Pulver wünschten wir uns sehnsüchtig Ski herbei, wir wussten jedoch das wir diese Hänge, wenn alles klappt, ohnedies nicht mehr sehen werden…das Leben war schon wieder hart zu uns. Am ersten Gipfel angekommen, erwachte gerade die Winterwelt der Berge in unglaublich schönen stimmungsvollen Farben…das Leben kann auch verdammt gut zu einem sein.

Der sich uns vom Gipfel bietende Ausblick auf den nicht enden wollenden Grat lies uns diese Stimmung nur kurz genießen und trieb weiter. Vor uns lag ein eingeschneites Latschenplateau, welches einem Minenfeld glich. Bei jedem Schritt wusste man nicht was passiert. Riss es einem das Bein in die Tiefe oder trug die Schneedecke? Schlussendlich überwanden wir das Latschenplateau mit allen Gliedmaßen, jedoch mit etwas erhöhtem Krafteinsatz durch die Herauswindereien.

Grat

Der Weiterweg am Grat war von unglaublicher Aussicht und Ruhe geprägt. Es ging flott dahin, schwierigere Stellen gingen wir am laufenden Seil oder seilten ab. Der größte Teil der Strecke war Stapferei mit der Möglichkeit dadurch die Umgebung wahrzunehmen; Gämse in den abartigsten Steilhängen im Morgenlicht queren zu sehen, die Sonne im Wettstreit mit den Wolken zu beobachten oder das glitzern des Neuschnees zu bewundern. Die morgendliche Idylle schwächte sich zum Gipfel hin zunehmend durch auffrischenden Wind, bedeckter werdender Sonne und die damit resultierende Kälte ab. Es wehte bis zum Gipfel hin ein schon recht unangenehmer barscher Wind, der einem den lockeren Schnee ins Gesicht peitschte. Mit immer müder werdenden Beinen stapften wir die letzten Meter, vorbei mit ehrfürchtigem Blick in die Einfahrt der Ostwand, hinauf zum Gipfel. Die Sonne ging im gleichen Moment unter, es war genau 16 Uhr. Es wurde jedoch noch beträchtlich später bis wir wirklich oben/unten ankamen. In Vorahnung fiel die Gipfelrast dementsprechend kurz aus, auch die Seniererei über die schöne Lichtstimmung am Himmel ersparten wir uns.

Abstiegsmatyrium

Jetzt hieß es, bevor es stockdunkel wird, Gas geben und soviel Meter Richtung Purtschellahaus machen wie geht. Am oberen Grat ging es noch recht flott dahin. An der Kreuzung Mannlgrat – Schustersteig angekommen, wurde mir beim Blick hinunter in die überwächtete Steilflanke mulmig im Magen. Das soll der Schustersteig sein, eine 60-70° steile Flanke?

Der Abstieg war mir, im wahrsten Sinne des Wortes, nur neblig von einer Bergtour vor 5 Jahren in Erinnerung, so steil auf alle Fälle nicht. Kurz unsere Alternativen durchgedacht; Mannlgrat lang und vor allem ganz woanders hin, Skitourenroute hinunter würde den gesamten Gipfelhang zurück auf den Gipfel bedeuten und dann ewig flach runter, schon bei der Überlegung streikten meine Beine. Also Schustersteig hinunter. Es wurde langsam stockdunkel, also Stirnlampe auf und Augen zu. Den steilen eingeblasenen Grathang mit darunter liegenden Felsabbruch hinunter zu klettern war nicht in unserem Sinn. Wir gruben einen Toten Mann und ich lies Felix zum Gelände erkunden ab. Er entdeckte ein Stück Drahtseil des Klettersteigs, perfekt, ich seilte mich nach.

Wir seilten uns teils über die verschneiten Drahtseile ab, wo sie nicht freizubekommen waren oder kletterten sie ab. Den ersten Aufschwung hatten wir überwunden, Erleichterung machte sich breit. Der Weiterweg blieb jedoch bis zuletzt spannend, immer wieder verloren wir den Weg, rutschen steile Rinnen hinunter und seilten an Köpfl ab. Nur mit dem Licht von 100 Lumen der Stirnlampe und ohne Markierungen war die Wegfindung extrem abenteuerlich. Mittlerweile war es 19uhr, dunkel, windig und arschkalt. Als wir wieder einmal den Weg verloren hatten und irgendwo im Nirgendwo standen, beschlossen wir nach 15 h Stapferei Pause hinter einem Stein zu machen. Wir überlegten ernsthaft es für heute bleiben zu lassen und lieber morgen weiterzugehen. Kochzeug und Biwaksack war dabei, was für Entspannung sorgte. Es war einfach unerwartet viel Schnee und die Hangbeurteilung in der Dunkelheit kaum möglich, die Orientierung wäre bei Tageslicht ebenfalls um einiges leichter und sicherer. Ich weiß nicht was uns in dem Moment dazu bewegte weiter zugehen, vielleicht der Anblick der eingefrorenen Trinkflasche und des eingefrorenen Griesbreis, der bei uns die Vorahnung einer eisigen Nacht hervorrief.

Mit Intuition, individueller Wegwahl und vor allem viel Glück schafften wir es bis zum Purtschellahaus und setzten bei Rudi einen „Notruf“ ab. Geplant wäre der Abstieg retour zum Auto nach Golling gewesen, dazu hatten wir zu dem Zeitpunkt jedoch keine Lust und vor allem keine Kraft mehr. Hinauf zu Rossfeldstraße geschleppt kam im gleichen Moment Rudi mit einem geheizten Auto angefahren. Ein Held, für das ihm eine Ehrenmedaille für besondere Verdienste an der Menschheit zusteht, ich werd mich dafür einsetzen. Laut seriöser Augenzeugenaussaugen schauten Felix und ich zu diesem Zeitpunkt ich zitiere “ziemlich banane“ aus…wir waren’s auch.

Nach 18 h gehen und stehen in der Kälte, in einem geheizten Auto zu sitzen und die Augen schließen zu können war einfach herrlich. Danke liebes Christkind.

Die Fakten

Ausgangspunkt: Parkplatz Gollinger Wasserfall http://maps.google.com/

Ziel: Hoher Göll

Endziel: Auto vom Rudi auf der Rossfeldstraße

Schwierigkeit: I-II

Ausrüstung zum Vergnügen: Gratgang zwischen leicht geht sich’s leichter und leicht wird’s leichtsinnig.

Pro Person

1 Bandschlingen 1 Gurt
2 Schrauber
1 Abseilgeräte
1 Stirnlampen die was kann
1 Pickel
Steigeisen
Wechselhandschuh irgendwann wird alles nass

Für beide

50m Seil
Zur Sicherheit Kocher
Biwaksack

Erkenntnisse

– Ski machten bei unserer Routenwahl keinen Sinn, bei Abfahrt über Skitourenaufstieg möglicherweise schon

– Abstieg über Schustersteig bei Dunkelheit schwierig (Orientierung), absolute Lawinensicherheit erforderlich

– Abholservice von Rossfeldstrasse komfortabel oder Auto hinstellen

– Zeiten: inklusive Pause (ca. 40min)

.      Parkplatz Gollinger Wasserfall – Hoher Göll ca. 12h

.       Abstieg Hoher Göll – Rossfeldstrasse über Schustersteig bei uns 6 h (stark orientierungs- und konditionsabhängig)

 

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Geführte Klettertour Klettern

Erstbegehung – Gehirnzellenmassage

Ich entdeckte diese mögliche Linie bei einer Begehung einer daneben liegenden Route und war sofort motiviert, meinem Gefühl der Möglichkeit der Linie nachzugehen. Ich fragte beim runtergehen gleich mal den Hüttenwirt ob er wisse, ob sich in dem Bereich eine Route befindet. Nachdem ich erfuhr, dass der obere Bereich noch Neuland ist war der Plan für die nächsten Tage klar. Los geht’s.

Steffen und ich starteten höchst motiviert in die erste Länge. Diese gehört noch zu einer alten Route und wir beließen alles so wie wir es vorgefunden hatten und schlugen nur Normalhaken am Stand, um den Charakter der alten Linie nicht zu stören. Der Rotpalfenriss zieht hier nach rechts weiter, wir zweigten nach links ab, wo wir uns eine mögliche Dachquerung von unten aus erhofft hatten. Die Dachquerung ging einwandfrei und so fanden wir uns einige Zeit später eine Länge weiter oben. Bei dem Versuch diesen Stand ebenfalls ohne Bohrhaken einzurichten, verabschiedete sich gleich mal eine ein Mal ein Meter große Schuppe. Ich entschied mich, den Stand zu bohren. Nach einer weiteren kürzeren aber spannenden Plattenstelle mit Faktor 2 Möglichkeit, nutzten wir den Stand der nahe liegenden Route Seele Brennt. Schon schräg wie schnell sich das Gefühl von Sicherheit relativiert. Philosophiert man im Klettergarten noch über die Werte der Bohrhaken im Tonnenbereich oder ihren Abständen im Zentimeterbereich, freut man sich in solch einer Situation über einen gesetzten Cliff in einer Wasserrinse wie ein kleines Kind übers Süßwarengeschäft.

Auf in die nächste Platte hieß es und schon stand ich 6 Meter weiter rechts im Plattenpanzer. Meine Versuche sich gegen einen gebohrten Zwischenhaken zu wehren krachten donnernd in die Tiefe. Auch hier war der Fels extrem verschlossen und bat keinem meiner Freunde am Gurt Unterschlupf. Nach gefühlten Stunden des herum Probierens musste ich Widerwillens zur Bohrmaschine greifen. Die anschließenden Meter verlangten mir neben einem zweiten Haken auch einiges an Anstrengung und Gehirnzellen ab. Ich wollte Elvis jedenfalls nicht bewusst parodieren. Nach 40 Klettermetern konnte ich meine Hand wieder entkrampfen und meine Folter- und Moderkammern ausziehen, was für ein Genuss und was für eine unschätzbare Erleichterung es ist, an einem sicheren Punkt, dem Stand zu hängen.

Genau dieses Wechselspiel aus Sicherheit und freiwilligem Entsagen dieser Sicherheit durch das wegklettern und der Aufbruch ins Ungewisse ist das Spannende und die Herausforderung des Kletterns, im speziellen des Erstbegehens. Es ist wie das Aufstehen und heraus kriechen unter der warmen Decke, wenn es draußen eisig kalt ist. Oder wie das Schwungansetzen bei Bruchharsch bzw. in einer steilen Rinne.…das aufgeben des Gleichgewichts der Sicherheit.

Klettert man nun von einem soliden Zwischenhaken oder vom Stand weg, verlässt man genau diese Insel der Geborgenheit, das schöne warme Nest, die vermeintlich totale Sicherheit. Dieser Wechsel steht metaphorisch für das ganze Leben. Ein ständiger Wechsel von Geborgenem, Bekannten zu Neuem, Ungewissem. Es ist eine belebende Abwechslung und die totale Herausforderung zugleich. Wie das Leben eben.

 Fakten

200m, 5 Seillängen: 5a, 6b, 6b, 6c+, 5a

Näheres siehe > Topo